Peter Pantucek: Texte und Materialien zur Sozialen Diagnostik, 2005
www.pantucek.com

Glossar

In diesem Glossar erläutere ich, mit welchem Bedeutungshorizont ich Begriffe in meinen Texten verwende. Dies ist erforderlich, weil einige Begriffe von mir in einen neuen Kontext gestellt werden. Andere wiederum, die in Literatur und Praxis mit verschiedenen und mitunter weiteren Bedeutungsräumen benutzt werden, werden in diesem Text mit einem engeren Bedeutungshorizont eingesetzt. Vereinzelt verwende ich auch Neologismen, wo ich für die Bezeichnung eines Sachverhalts nicht auf bereits eingeführte Vokabel zurückgreifen konnte.

 

 

Alltagsrekonstruktion

 

Ich verwende den Begriff für jene Sozialarbeiterische Interventionsform, in der à Beratung und Interventionen im à Feld gekoppelt werden, um den KlientInnen nach zeitlich begrenztem sozialarbeiterischem Einsatz wieder eine autonome Alltagsgestaltung zu ermöglichen.

 

Ankerperson

 

Ankerperson ist beim Zeichnen und der Analyse personenbezogener Netzwerke jene Person, die im Zentrum des Netzwerkes steht, von deren sozialem Ort aus sich das Netz entfaltet. Ich verwende den Begriff überall dort, wo bei beschreibenden, aufzählenden, darstellenden Verfahren eine Person im Zentrum steht und z.B. Rollenbezeichnungen von MitspielerInnen dann auf diese Person bezogen werden (Vater, Sozialarbeiterin etc.). In den meisten Fällen ist das die Person, die dem à Fall den Namen gibt. Die Bezeichnung à KlientIn wäre insofern nicht immer passend, als die Ankerperson in einem Notationssystem oder bei der Anwendung eines diagnostischen Verfahrens nicht notwendigerweise im methodischen Sinne KlientInnenstatus haben muss.

 

Auftrag

 

Allgemein verstehe ich in diesem Text unter Auftrag Wünsche/Aufforderungen an die SozialarbeiterInnen. Diese können von allen fallbeteiligten Seiten (Gesetzgeber, Träger, andere Institutionen, KlientIn und Important Others) kommen. Aufträge sind zu explizieren und zu verhandeln. Sie können in ein à Mandat münden.[1]

 

Begleitung / Alltagsbegleitung

 

Alltagsbegleitung ist eine Interventionsform, in der SozialarbeiterInnen oder andere Fachkräfte dauerhaft eine Rolle im à Feld bzw. im Alltag der KlientInnen übernehmen, ohne die Perspektive eines baldigen Rückzugs.

 

Beratung

 

Als Beratung bezeichne ich in dieser Arbeit 1) sozialarbeiterische Interventionsformen ohne Intervention im à Feld. Gleichzeitig ist 2) Beratung selbstverständlicher Bestandteil aller Interventionsformen: Sie ist ein Gespräch mit den KlientInnen oder mit anderen in den Fall involvierten Personen über ihre Handlungsmöglichkeiten in einer gegebenen à Situation.

 

Bürger / Bürgerin

 

Ich verwende diesen Begriff, um zu kennzeichnen, dass Personen, die SozialarbeiterInnen in der Fallbearbeitung begegnen, nicht nur à Mitmenschen und nicht nur TrägerInnen einer bestimmten fallbezogenen Rolle (KlientIn, Important Other etc.), sondern auch gleichberechtigte BürgerInnen eines Gemeinwesens sind. Auch auf dieser Ebene begegnen sie den anderen AkteurInnen. Der Status als BürgerIn ist durch Rechte/Pflichten, durch einen gemeinsamen Bezug auf eine Rechts- und Normenordnung charakterisiert. Er verweist daher immer auf ein überindividuelles Drittes, dem alle AkteurInnen gleichermaßen unterworfen sind. Das gesatzte Recht und die gegebene Rechtspraxis machen den Kern dieses Dritten aus, auf das sich grundsätzlich jedeR Beteiligte berufen kann. Die bewusste und explizite Wahrnehmung der AkteurInnen als BürgerInnen hat zentrale Bedeutung für die Inszenierung von à Respekt.

 

Datenschatten

 

Darunter ist die Datenspur zu verstehen, die ein Mensch in verschiedenen Datenbanken hinterlässt (bzw. die die Verarbeitung verschiedenster Daten durch Institutionen hinterlässt). Der Datenschatten ist ein Teil der à Persona.

 

Eigendiagnose

 

In der Eigendiagnose erklären sich KlientInnen die Situation, die ihnen Probleme bereitet. Die Eigendiagnose enthält i.d.R. Vorstellungen über die Ursache und über Lösungsmöglichkeiten der jetzigen Situation. Da die Eigendiagnose wichtige Informationen über Problem und Problemkontext enthält und sie der entscheidende Faktor für die Handlungsbereitschaft der KlientInnen ist, hat die Arbeit an ihr (aber nicht gegen sie) einen zentralen Stellenwert im sozialarbeiterischen Beratungsprozess.

 

Exploration

 

Phase im Beratungsgespräch, in der die KlientInnen dabei unterstützt werden, ihre Sicht der Situation darzulegen. Aktivitäten der SozialarbeiterInnen in dieser Phase sind aktives Zuhören, explorierende Fragen zur Eigendiagnose der KlientInnen und zum Kontext des à Präsentierten Problems bzw. des aktuellen à Themas. Der Explorationsphase folgt die Phase der à Konstruktion.

 

Fall

 

Der Fall ist jene Konstellation, die bei der Übernahme eines à Auftrags durch einen Sozialarbeiter / eine Sozialarbeiterin entsteht und sich im Laufe der Bearbeitung entfaltet. Die personelle Reichweite dieser Konstellation wird durch das formulierte à Problem und die Einbeziehung weiterer HelferInnen bestimmt. Ein Fall hat i.d.R. den Namen des Klienten / der Klientin.

 

Fallmuster

 

Als Fallmuster bezeichne ich charakteristische Problemkonstellationen, die eine Eigendynamik und Eigenlogik entwickeln, wie zum Beispiel Kindesmisshandlung, Vernachlässigung, Trennungskrisen, chronische Wohnungslosigkeit etc.; Fallmuster sind Konstrukte, die dem Konstrukt „Krankheit“ der Medizin relativ nahe kommen: Als typische Problemkonstellationen können sie mithilfe von „Symptomen“ entdeckt werden und beschreibbare typische Verläufe helfen bei der Exploration und der Interventionsplanung.

 

Feld

 

Das Feld ist die fallbezogene Landschaft außerhalb des KSI.

 

Feldintervention

 

Jede Intervention, die außerhalb des KlientIn-SozialarbeiterIn-Interaktionssystems (KSI) stattfindet. Bereits das Sichtbarwerden der Sozialarbeiterin für Personen aus dem Lebensfeld der KlientInnen ist eine erste Feldintervention.

 

Feldsubstitution

 

Unter Feldsubstition verstehe ich hier das Ersetzen von (fehlendem oder vermeintlich insuffizientem) lebensweltlichem Umfeld durch Einrichtungen des Sozial- und/oder Gesundheitswesens: Heime, Tagesstätten, Pflegefamilien etc.

 

Gespräch

 

Fallbezogene Gespräche sind die wichtigste, aber nicht die einzige Interventionsform in der Sozialarbeit. Sie können in Form von à Sitzungen stattfinden, aber auch in anderen Formen, zum Beispiel:

§       Kurzgespräch bei zufälliger Begegnung im Feld

§       Telefonat aufgrund eines aktuellen Bedürfnisses nach Informationsgewinnung oder Informationsweitergabe

§       Kontrolltelefonat oder Kontrollbesuch, um GesprächspartnerIn an Vereinbarung zu erinnern

§       Begleitende Gespräche z.B. auf dem Weg zu einem Termin (Begleitung zu einem Amt, einer möglichen Arbeitsstelle etc.)

§       etc.

Mögliche Modi sind Beratung, Verhandlung, Information, „Small Talk“, Erzählung, Überredung etc., also nahezu die gesamte Breite des Spektrums von Gesprächen des Alltags unter zusätzlicher Verwendung von Gesprächstechniken professioneller und therapeutischer Gesprächsführung.

 

Zusätzlich zu den Gesprächen mit den KlientInnen findet auch die Mehrzahl der à Feldinterventionen in der Form von Gesprächen statt.

 

 

Grunddaten

 

Unter Grunddaten sind die basalen Daten zur sozialen Verortung der KlientInnen und zur Genese des Falles zu verstehen. Das sind je nach Setting i.d.R. Name, Geburtsdatum, Adresse, Qualifikation, Einkommen, Verpflichtungen, Important Others; weiters Anlass, Setting und Dauer der Beschäftigung der Institution mit dem Fall. Je nach Einrichtung und Arbeitsfeld können weitere Daten dazukommen (z.B. Daten zum Substanzenkonsum bei Suchtberatungseinrichtungen). In Settings der Gruppen- oder Gemeinwesenarbeit definieren sich die Grunddaten wieder anders, aber grundsätzlich nach dem gleichen Schema.

 

Important Others

 

Die bedeutenden Personen im lebensweltlichen Umfeld einer Ankerperson. Dies sind nahe Verwandte und PartnerInnen, Freundinnen und andere Personen, die auf die Lebensführung wesentlichen Einfluss nehmen.

 

Inklusionssubstitut

 

Inklusionssubstitute sind Leistungen des Sozialwesens, die fehlende Inklusion in gesellschaftliche Funktionssysteme ersetzen sollen (Sozialhilfe, Beschäftigungsprojekte etc.).

 

Inszenierung

 

Bewusste Gestaltung von Begegnungssequenzen, Settings und Handlungsabläufen.

 

Klient / Klientin

 

KlientIn ist in der Sozialarbeit die gängige Bezeichnung für die à Ankerperson des Falles. Für Klientschaft ist i.d.R. eine (möglicherweise nur mündliche, möglicherweise durch die Umstände erzwungene) Vereinbarung erforderlich. Vor Erreichen der Arbeitsvereinbarung wird von „potenziellen KlientInnen“ gesprochen.

 

Klient-Sozialarbeiter-Interaktionssystem (KSI)

 

Ich bezeichne dieses dem Fall zentrale Kommunikationssystem als KSI. In der traditionellen Sozialarbeitsliteratur ist dafür der Begriff „(helfende) Beziehung“ üblich. Mir erscheint dieser Terminus allerdings als zu unscharf und er suggeriert durch seinen inflationären Gebrauch in der Alltagssprache die Konstituierung von Sympathie etc., was keine notwendige Bedingung für gelingende Kooperation und Intervention ist.

 

kommunikative Validierung

 

Validierung einer Einschätzung durch Nachfragen. Bestätigung einer Vermutung durch die Ankerperson. Nach der k. V. kann die Einschätzung mit höherer Wahrscheinlichkeit als zutreffend betrachtet werden.

 

Konstruktionsphase

 

Phase im Beratungsgespräch, die der à Exploration folgt. In der Konstruktionsphase bringen die BeraterInnen auch ihre eigenen Einschätzungen der Situation ein und versuchen mit den KlientInnen zu einer gemeinsamen Sprachregelung für die weitere Kooperation zu kommen (Entwicklung von Arbeitshypothesen). Die à Eigendiagnose wird dadurch aber nicht suspendiert.

 

Kurzberatung

 

Als Kurzberatungen bezeichne ich Beratungsbeziehungen, die nur ein Gespräch umfassen und nicht mit der Vereinbarung eines weiteren Gesprächstermins enden und solche, bei denen zwar ein Folgegespräch vereinbart, vom Klienten aber nicht mehr in Anspruch genommen wird.

 

Kurzintervention

 

Kurzinterventionen sind Sequenzen von höchstens 3 Sitzungen, die mit einer Intervention der Sozialarbeiterin im Feld verbunden sind. Darüber hinaus wird kein weiterer Gesprächstermin vereinbart oder ein weiterer vereinbarter Gesprächstermin wird von der Klientin nicht mehr in Anspruch genommen.

 

Lebensfeld

 

Lebensfeld ist der soziale und physikalische Raum, in dem eine Ankerperson sich bewegt, auf den sie sich in ihrer Alltagsgestaltung beziehen muss und der von ihrem sozialen und physischen Ort aus sichtbar ist. Die Ankerperson ist Zentrum dieses Lebensfelds, das allerdings auch für andere (aus anderer Perspektive) sichtbar ist.

 

Lebensfeldsubstitut

 

Als Lebensfeldsubstitute bezeichne ich Einrichtungen / Leistungen des Sozialwesens, die wesentliche Teile eines „natürlichen“ Lebensfeldes ersetzen. Speziell sind das Heime, Wohngemeinschaften und ähnliches. Lebensfeldsubstitute errichten eine institutionell geformte Welt um die KlientInnen, die nur bedingt mit dem Leben außerhalb von Institutionen vergleichbar ist. Für die KlientInnen entstehen dadurch biografische Etappen, die sie in Sonderwelten verbracht haben. Der Sondercharakter, die Künstlichkeit von Lebensfeldsubstituten hebt sie aus anderen Maßnahmen und Interventionen hervor. Der Extremfall für Lebensfeldsubstitute sind totale Institutionen.

 

Lebenswelt

 

Die Lebenswelt ist die subjektive Welt aus der Perspektive des je einzelnen Individuums. Sie umfasst das à Lebensfeld, den Körper und die Bilder und Vorstellungen, die das Individuum von dieser seiner Welt in seinem Kopf hat.

 

Mandat

 

Aus einer Übereinkunft zwischen SozialarbeiterInnen und Dritten resultierende Legitimation für und ggf. Verpflichtung zu Interventionen. Das Mandat ist i.d.R. das Ergebnis einer Verhandlung auf Basis von à Aufträgen.

 

Mitmensch

 

Mit diesem Terminus spreche ich die elementare Tatsache an, dass sich Menschen immer auch als Gattungswesen begegnen. Die Wahrnehmung der Mitmenschlichkeit bedeutet, den Anderen in seiner Körperlichkeit, als Lebewesen, für das die Reziprozität der Perspektiven Geltung haben kann, zu akzeptieren. Mitmenschlichkeit ist basal und verweist sowohl auf körperliche als auch auf vorsprachliche Empfindungen anderen gegenüber. Sie ist damit der Verbindung, die durch den Begriff à Bürger bezeichnet wird, vorgelagert. Die Inszenierung von à Respekt wird zwar auf der Ebene des gemeinsamen BürgerInnentums expliziert, hat aber die Mitmenschlichkeit als breitere Basis. Ich habe von Maria Loley (Ertl 1996) gelernt, auf diese Grundlage sozialarbeiterischer Begegnung auch in der methodischen und theoretischen Reflexion zu achten.

 

Persona

 

Als „Persona“ wurde im antiken Griechenland die hölzerne Maske der Schauspieler bezeichnet. In unserem Zusammenhang meint Persona die öffentlich wahrgenommene Seite einer Person. Dazu gehören ihr Erscheinungsbild, die Erzählungen über eine Person, die von ihr kursierenden Bilder (im wörtlichen und übertragenen Sinne), aber auch ihr Aufscheinen in Akten und Datensätzen. Die Persona ist ein sozialer Tatbestand und von der Person, dem „wirklichen“ Menschen nur eingeschränkt kontrollierbar.

 

Präsentiertes Problem, Presented Problem (PP)

 

Personen, die Kontakt zu SozialarbeiterInnen aufnehmen, übernehmen die KlientInnenrolle, indem sie ein Problem formulieren. Das präsentierte Problem ist das von ihnen zur Bearbeitung angebotene Problem. Das kann u.U. eine vorerst taktisch vorgeschobene Fragestellung sein, die Zeitgewinn und eine Testphase ermöglicht. Erst wenn sich die Beraterin bei der Behandlung dieses Problems als vertrauenswürdig erwiesen hat, werden weitere, ev. wichtigere Probleme von den KlientInnen in der KSI vorgebracht.

 

Ich bezeichne in dieser Arbeit jene für eine Bearbeitung noch ungenügenden Eröffnungsformulierungen als PP1, die als erstes Beratungsresultat in eine bearbeitbare Form gebrachten Problemformulierungen als PP2. Bearbeitbare Probleme benennen den Ratsuchenden als Aktor und eine Handlungssituation, für die der Aktor dzt. nicht weiß, wie sie gut zu bewältigen ist.

 

Problem

 

Ein Problem ist die Differenz zwischen einem IST und einem (möglicherweise nicht ausformulierten) SOLL, festgestellt durch einen Aktor, wobei zwischen IST und SOLL (zumindest) ein Hindernis steht. Der Aktor gibt zu erkennen, dass er bereit ist, zur Überwindung des Hindernisses Energie zu investieren. In der Sozialarbeit ist „Problem“ die zentrale Referenz in der Fallbearbeitung und die Existenz eines beschreibbaren Problems Bedingung der Möglichkeit methodischen Vorgehens.

 

Problemdefinition

 

Als Problemdefinition wird in der Sozialarbeit die Formulierung bezeichnet, die eine Person für ihre subjektive Sicht des Problems findet.

 

Problemkontext

 

Jene personalen, sozialen, gegenständlichen Fakten und Relationen, die Genese und Charakteristik des vorliegenden à Problems bestimmen. Die zumindest holzschnittartige Erkundung des Problemkontexts ist notwendige Voraussetzung für angemessene Interventionen.

 

Ratifizierung

 

Ratifizierung ist das Zeichen der Zustimmung, das Gesprächspartner zu einer vorgeschlagenen Formulierung (Einschätzung, Vereinbarung, Verfahrensvorschlag) geben. Die Ratifizierung kann verbal oder nonverbal (z.B. durch Nicken) erfolgen. Die Ratifizierung macht aus dem Vorschlag einen „Beschluss“, also eine gemeinsame Entscheidung der Kommunikationspartner, auf die man sich im Kommunikationssystem in der Folge legitim berufen kann. In ihrer Verbindlichkeit ist die Ratifizierung um so stärker, je expliziter sie erfolgt: Ein gesprochenes „ja“ ist z.B. stärker als ein Kopfnicken, ein „So machen wir das“ stärker als ein „Wenn Sie meinen“.

 

Respekt

 

Respekt ist der Modus der Begegnung mit Anderen oder der Bezugnahme auf Andere, in dem sie als Personen mit Autonomie, Würde und Recht auf Beachtung und Anhörung anerkannt werden. In der Sozialarbeit wird fallbeteiligten Personen deutlich Respekt erwiesen und dadurch die Basis für problemlösende Kooperation geschaffen. Respekt kann in à Inszenierungen des Respekts deutlich ausgedrückt werden. Höflichkeit, Geben und Akzeptieren von Gastfreundschaft, Aufmerksamkeit etc. sind Mittel der Realisierung von Respekt.

 

Sitzung

 

Unter Sitzung verstehe ich jedes Gespräch im Zusammenhang der Bearbeitung eines Falles, das deutlich als Bearbeitungs- bzw. Beratungsgespräch markiert ist, in dem sich also SozialarbeiterIn und Personen aus dem Fallkontext in ihren fallbezogenen Rollen geplant und absichtlich begegnen. Sitzungen sind inszeniert: i.d.R. stellen die SozialarbeiterInnen eine geeignete Gesprächssituation her, die Gesprächspartner sitzen, es wird systematisch auf frühere Sitzungen Bezug genommen und es kann zu verbindlichen Vereinbarungen kommen. Entscheidend für den Sitzungscharakter eines Gesprächs sind aber nicht Sitzordnung oder Ort, sondern die Strukturierung und die Stellung im Prozess. So können Sitzungen mitunter auch in Form eines Telefongesprächs stattfinden. Sitzungen sind eine Sonderform des à Gesprächs.

 

Situation

 

Situation ist eine reale Anordnung von Personen, Sachen und sozialen Systemen.

 

Thema und Thematisierung

 

Ein Thema ist ein inhaltliches Feld, das in der à KSI angesprochen wird und auf das damit in diesem Kommunikationssystem legitim (unter Berufung auf frühere Kommunikation) Bezug genommen werden kann. In der à Beratung dienen Themen der inhaltlichen Ausrichtung. Sie können auch ohne ausdrückliche à Problemdefinition eingeführt werden und erhöhen dadurch den taktischen und strategischen Spielraum in der Beratung beträchtlich. Aufgrund der Rollenverteilung in der KSI ist es allerdings (vor allem in kürzeren Varianten) für KlientInnen schwierig, Themen ohne Problemdefinition zu etablieren, da sie dadurch ihre KlientInnenrolle verlassen würden. Unter Thematisierung verstehe ich die Etablierung (das „Ansprechen“) eines neuen inhaltlichen Feldes in der KSI.

 

Ziele

 

Ziele sind gedanklich vorweggenommene zukünftige Zustände, Sachverhalte oder Handlungsergebnisse, die jemand konkret anstrebt bzw. zu verwirklichen beabsichtigt. Ohne Verwirklichungsvorsatz sind gedankliche Vorwegnahmen von zukünftigen Zuständen usw. keine Ziele, sondern bestenfalls Wünsche oder Wunschdenken. Es reicht nicht aus, wenn die SozialarbeiterInnen den Verwirklichungsvorsatz haben; die KlientInnen müssen ihn auch haben.[2]

 

Zielvereinbarung

 

Zielvereinbarungen steuern und strukturieren für die professionell Beteiligten einen Teil ihres Arbeitsprozesses, für die KlientInnen einen Teil des in ihre Lebenssituation hineinreichenden Interventionsprozesses. Dies sind, analog zum „doppelten Mandat", die beiden unterschiedlichen sozialen Gesamtzusammenhänge, in denen Zielvereinbarungen auch bei identischer Formulierung gesehen und bewertet werden müssen : Teil von Arbeitsprozess und Teil von Lebenssituation.[3]

 

 

 

 

 

 

 



[1] In früheren Texten habe ich nicht zwischen Auftrag und Mandat unterschieden, sondern bloß die Notwendigkeit betont, Aufträge auszuhandeln. Es hat sich gezeigt, dass aufgrund des Alltagsgebrauchs des Begriffs dies immer wieder zu Unklarheiten führt und zwischen Ausgangsposition und Ergebnis der Verhandlung schwer sprachlich zu unterscheiden war. Ich schlage daher nun diese eindeutige Trennung zwischen den Begriffen „Auftrag“ und „Mandat“ vor.

[2] Diese Definition ist entnommen Possehl (2002: 2)

[3] Diese Definition ist entnommen Possehl (2002: 3)