Der 2020 Krisenblog

Siebenter Tag

Erstellt am Freitag, 03. April 2020 11:41
Bis jetzt halten wir die Isolation noch recht gut aus. Für mich, meine engere Familie, und viele andere ist es ein komfortables Unglück. Man kann sich sogar über einiges freuen: Wie schnell viele gelernt haben, die digitalen Medien für die Sozialkontakte und die Arbeit zu nutzen; über die Live-Performances von Künstlerinnen und Künstlern auf Facebook; über die Meldungen von hilfsbereiten Menschen.
Aber wie lange werden wir die Enge aushalten? Wann und wie sehr wird die Gereiztheit steigen? Werden Niedergeschlagenheit und Depressionen sich ausbreiten, werden angesichts sich voraussichtlich häufender Katastrophenmeldungen die Angst und die Unsicherheit wachsen? Wann wird die Ruhe da draußen nicht nur erstaunlich und seltsam, sondern bedrückend sein, wird zu einer schreienden Ruhe werden?
Erste kleine Anzeichen gibt es bereits im näheren sozialen Umfeld: Eine Kollegin, deren Sohn erkrankt ist, eine junge Frau, die nach ihrem Pflegestudium mit der noch wenig koordinierten Vorbereitungspanik des Spitals und der Behörden konfrontiert ist und Angst vor dem hat, was da auf sie zukommt.
Die Einschläge kommen näher. Und in den nächsten Wochen sind gehäufte Hiobsbotschaften aus der ganzen Welt zu erwarten, begleitet von zahllosen Kommentaren und Prophezeiungen. Es wird schwieriger werden für die Regierung, mit ihren Botschaften durchzukommen. Der Stress wird für viele Menschen sehr groß werden. Für jene, die nicht zu Hause bleiben können, und für jene, die zu Hause bleiben müssen.
So lange diese Krise noch relativ komfortabel ist, sollte man Kraft tanken, sage ich mir, sollte sich ein gutes Leben machen, um bereit zu sein für die Stresszeiten, die kommen werden. Zeiten, in denen man sich intensiv um jene kümmern muss, die direkt gefährdet sind oder die an Begleiterscheinungen der Krise zu verzweifeln drohen.
Währenddessen ergreift Orban in unserem Nachbarland die Gelegenheit, in seiner „illiberalen Demokratie“ einige entschlossene Schritte in Richtung Diktatur zu machen. Anhänger*innen autoritärer Systeme und Fans eines Polizeistaates haben vermehrt feuchte Träume.
Sonne heute Morgen, Wind, Kälte zum Frühlingsbeginn. Die Mittagsglocken waren deutlich zu hören wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr. Zuerst die Großjedlersdorfer, dann die Stammersdorfer, dann die Strebersdorfer. Ländlicher Sound. Geschätzte acht Fußballspiele haben dieses Wochenende nicht in Großjedlersdorf stattgefunden. Die Heurigen waren geschlossen und leer. Alle Menschen, denen ich bei meinen Kurzwanderungen begegnete, wichen mir aus. Manche aber lächelten zurück, wenn ich sie anlächelte.