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Alltags-Stalinismus

Erstellt am Sonntag, 02. Oktober 2011 09:15

Bei der Neuordnung meiner Bibliothek fiel mir ein alter Text in die Hände:

Pantucek, Peter (1994): Der fundamentalistische Schrebergartenverein. Stalinistische Organisationsstrukturen am Beispiel der KPÖ. In: Neugebauer, Wolfgang (Hg.): Von der Utopie zum Terror. Stalinismus-Analysen. Wien. S. 157-170.

Zur Vorgeschichte:

Seit Mitte der 70er-Jahre war ich Mitglied der KPÖ. Der Kollaps des „sozialistischen“ Staatensystems 1989 spülte eine Reformführung an die Spitze der österreichischen KP, die sich vom autoritären Erbe zu lösen versuchte. Für diese Führung arbeitete ich an der Vorbereitung eines neuen Statuts und beschäftigte mich deshalb intensiv mit den organisationsformen der radikalen Arbeiterbewegung.

 

Daraus resultierte ein Text zur Organisationsreform, der Anfang 1991 als Material für eine Parteikonferenz erschien. Getragen wurde die Reform von einem Kreis demokratisch gesinnter Mitglieder, der sich regelmäßig im Café Zartl traf. Auf der Agenda stand der Versuch, eine breite demokratische Linke zu formieren. Im Gegensatz zur bisherigen Parteilinie wurde auch eine positive Haltung zu einem möglichen EU-Beitritt Österreichs eingenommen.

 

Pantucek, Peter (1991): Organisatorische Perspektiven der KPÖ. Ergebnisse einer Arbeit für die Statutenkommission. Wien.

Die Parteikonferenz brachte dann aber den erfolgreichen Aufstand einer dogmatischen Basis. Danach traten die Parteivorsitzenden und zahlreiche Mitglieder aus der KPÖ aus. Susanne Sohn, eine der beiden Vorsitzenden, gründete Memorial Österreich. Memorial war eine in der damals noch bestehenden Sowjetunion gegründete Organisation, die sich der Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen widmete.

1993 (?) fand in der Volkshochschule Favoriten eine von Memorial Österreich veranstaltete wissenschaftliche Tagung statt. Thema war die historische Verstrickung der KPÖ in das stalinistische Terrorregime. Präsidiert wurde die Tagung von Josef Ehmer, substantielle Beiträge kamen u.a. von Hans Schafranek, der sich mit dem traurigen Schicksal der 1934 in die Sowjetunion emigrierten Schutzbündler und der Rolle der KPÖ-Führung dabei beschäftigte. Ich lieferte dort einen Beitrag zur alltags-stalinistischen Organisationskultur in der KPÖ. Dieser Beitrag erschien 1994 in einem vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes herausgegebenen Band und kann hier nachgelesen werden.