Zettelkasten

Richtig helfen mit Winnie the Poo

Erstellt am Sonntag, 03. Februar 2013 15:56

Eine Winnie the Poo - Geschichte, kommentiert: Wie man ein Problem nicht löst.

"Es ist doch enorm, was so alles in einem Klassiker steckt. Oder umgekehrt - weil so vieles mit-durch-in ihm möglich ist, weil die Geschichte so ein Potenzial hat, kann sie ein Klassiker sein."

Bernhard Wiebel (-> Münchhausen-Bibliothek)

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Der Hilfeprozess

Eine Winnie Poo Geschichte mit Kommentaren von P. Pantucek

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Was steht am Beginn? Ein Problem, das den Ablauf des Alltags erheblich stört. Verlust von Alltäglichkeit. Lebensweltlich-alltägliche Lösungsstrategien ("vorwärts, rückwärts") erweisen sich als ungenügend.


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Und gleich werden von den Beteiligten Problemdefinitionen angefertigt. Poo: "die Haustür ist nicht groß genug"; Rabbit: "Poo ist zu dick". Rabbits Version enthält (wie so häufig die Problemdefinitionen von Personen aus dem Umfeld) schon eine Schuldzuweisung an das Opfer. "Blame the victim", wie man so sagt.


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Sich in der Situation einrichten: Die Befreiungsversuche sind eher nur mehr symbolisch (mit dem Hinterteil wackeln). Immerhin, man muss sich in der neuen Lage einrichten und entdeckt gewisse Möglichkeiten, zum Beispiel die Betrachtung der Natur.


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Notsituationen machen Freude: Vor allem jenen, die nicht drinstecken. Was braucht man heutzutage? Fachleute, wie die Eule richtig erkennt.


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So ist das mit Fachleuten: Die meisten von ihnen sind nicht Fachleute für Probleme, sondern Fachleute für das, was sie mehr oder weniger zufällig können. Mulle also fürs Graben und Sprengen. Er wird jedes Problem mit Dynamit zu lösen versuchen (und ein Arzt mit Medikamenten, eine Psychotherapeutin mit Psychotherapie usw.). Als Profi kann er warten, bis die Betroffenen verzweifelt genug sind, um auch das noch auszuprobieren.


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Hier sehen wir den Sprengmeister.


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Christopher Robin versucht's durchaus sozialarbeiterisch mit direkter Hilfe und scheitert in diesem ersten Anlauf, wie man halt so oft damit scheitert. Die nicht funktionierende kurzfristige Lösung wird dann gleich durch einen ehrgeizigen langfristigen Plan ersetzt: Das Projekt der Abmagerung.


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Wenn jemand so richtig schön feststeckt in seinem Problem, ist er ein willkommenes Opfer für die Hobbies der HelferInnen. Die Eule macht´s besonders pädagogisch und nutzt die Gelegenheit für gescheite Vorträge. Ähnlich sinnvoll ist es, Menschen in einer Trennungskrise über die Vorteile einer guten Ehe zu berichten, Alkoholabhängigen die Gefahren des Alkohols zu erklären u.ä.


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Kanga ist da schon pragmatischer. Sein sozialarbeiterischer Ansatz ist der der "Harm Reduction". Wenn schon das eine (größere) Problem derzeit nicht gelöst werden kann, sollten zumindest Folgeschäden verhindert und ein etwas leichteres Leben mit dem Problem ermöglicht werden.


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Rabbit tut das, was viele tun, wenn sich ein Problem nicht schnell lösen lässt: Sie richten sich damit ein. Es wird verschönert und man kann ihm sogar praktische Seiten abgewinnen. Jene, die am meisten darunter leiden, müssen da manchmal auch eine Missachtung ihrer Würde ertragen.


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Ja, das sieht gleich viel besser aus. Rabbits neue Problemdefinition könnte nun lauten, dass sein Regal wackelt. Manche Angehörige hätten dann wahrscheinlich den Vorschlag, Poos Beine festzubinden.


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Und die Lösung? Case Management, eine gemeinsame Anstrengung aller HelferInnen, und zwar auf durchaus praktischer Ebene. Wir werden sehen, ob das hilft.


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Mitunter hilft ein Tritt in den Hintern, gut gesetzt im richtigen Moment, das scheint sich Rabbit zu denken. Mit solchen brachialen Techniken sollte man allerdings sehr sparsam umgehen, und die Rahmenbedingungen müssen absolut stimmen (konzertierte Unterstützung, alles gut vorbereitet, der Leidensdruck des Trittempfängers sollte auch groß genug sein, damit der Tritt nicht ein größeres Problem ist, als das zu lösende).


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Die Lösung kann sich auch verselbstständigen, eine Dynamik entwickeln, die man nicht vorhergesehen hat. Man beachte, mit welcher Eleganz sich Poo nun rasch dem nächsten Stadium seiner Biografie nähert.


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Eine neue Lebenssituation schafft neue Beteiligte, hier ein ganzes Bienenvolk, das seiner Heimat beraubt wird. Kollateralschäden der Problemlösung, oft unbesehen in Kauf genommen.


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Die Helfer sehen auch weiterhin eine Rolle: Man hat mit der Lösung ein neues Problem geschaffen (wie heißt es so schön: Die Lösungen von heute sind die Probleme von morgen) und aufgrund des "Erfolgs" der ersten Intervention hält man sich natürlich auch für kompetent, das nächste, durch die Hilfe entstandene Problem zu lösen.


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Auf die Kooperation des Klienten kann Christopher Robin nun allerdings nicht zählen. Poo wird dafür sorgen, dass noch so manche Tür für ihn zu klein sein wird. Wie sich zeigt, gleicht Individualhilfe mitunter einer Sysyphos-Aufgabe.