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Historisierung als Bewältigungsstrategie - Rede der Projektleiterin DSA Maga. Gertraud Pantucek in Kirchberg

Rede der Projektleiterin DSA Maga. Gertraud Pantucek in Kirchberg

DSA Mag. Gertraud Pantucek, Projektleiterin des Gemeinwesenprojekts Hochwasserhilfe Grafenwörth / Kirchberg / Königsbrunn des FH-Studiengangs Sozialarbeit St.Pölten, der Diakonie und der ORF-Hochwasserhilfe

Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Leben am Wasser" in Kirchberg am Wagram
6.8.2003, Wagramhalle Kirchberg

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Es freut mich, dass sie sich die Zeit nehmen und zu unserer Ausstellungseröffnung erschienen sind. Ich wünsche allen hier Anwesenden einen schönen guten Nachmittag in diesem regenarmen Sommer, der es beinahe schwer macht, sich vorzustellen, was genau vor einem Jahr das große Thema in dieser Region, in ganz Österreich und darüber hinaus gewesen ist: das Thema Hochwasser in einem bisher nicht bekannten Ausmaß.

Vor genau einem Jahr, eben dem 16. August, konnten jene, die wegen der Überschwemmung ihre Häuser verlassen mussten, erstmals wieder nach Hause zurück kehren. Dort waren sie mit den Folgen des Hochwassers konfrontiert. Jede und jeder ging sofort daran, die Verwüstungen aufzuräumen, aufgeweichte Möbel zu entfernen, Mauern abzuspritzen und abzuschlagen, Wäsche zu waschen, Keller auszupumpen und vieles mehr. Viel war zu tun und es wurde eifrig gearbeitet, auch mit Unterstützung von Organisationen wie dem Bundesheer, vielen Feuerwehren und von vielen einzelnen Helfern, die aus beinahe ganz Österreich kamen. Aus ganz Österreich – und darüber hinaus – kamen auch viele Sach- und Geldspenden, die in kleinen und größeren Aktionen möglichst gerecht an die Betroffenen verteilt wurden.

Wir haben von unserem Gemeinwesenprojekt Hochwasserhilfe den 16.8. bewusst als jenen Jahrestag gewählt, an dem wir unsere Foto-, Video- und Textausstellung eröffnen wollen. Wir sehen ihn als Jahrestag, an dem die Bewältigung und Verarbeitung der Katastrophe begonnen werden konnte. Seitdem ist viel geschehen. Die materiellen Schäden konnten in vielen Häusern beseitigt werden, jedoch noch nicht in allen. Manche Häuser oder zumindest Räume müssen nach wie vor austrocknen und die Ordnung im Alltagsleben, die es vorher gab, ist für manche so noch nicht vorhanden.

Ich möchte nun genauer das Projekt Hochwasserhilfe beschreiben und das, was wir bisher getan haben und wie diese Ausstellung zustande kam. Eigentlich gleich nach Katastrophe, im September vorigen Jahres, gab es seitens der Diakonie eine Anfrage an den Studiengang Sozialarbeit der Fachhochschule St. Pölten, ob es über die jeweilige Einzelfallhilfe hinaus, noch Möglichkeiten gäbe, betroffene Orte oder Gemeinden bei der Bewältigung zu unterstützen. Klassische Sozialarbeit kümmert sich nun auch überwiegend um Einzelschicksale, also um einzelne Familien, Kinder und Jugendliche, ältere, kranke oder finanziell bedürftige Menschen und solche, die sich aus irgendwelchen Gründen in schwierigen Situationen befinden. Zusätzlich aber auch um strukturelle Fragen, um die Organisation sozialer Hilfe, um Fragen besonderer Betroffenheit und um Lebensqualität. Eine spezielle Methode der Sozialarbeit ist dabei die so genannte „Gemeinwesenarbeit“, bei der möglichst viele Menschen und Ideen einzubeziehen sind, Netzwerke gebildet werden und meist Fragen von Verständnis, Ausgleich und Vermittlung im Vordergrund stehen. (Für jene, die das genauer interessiert, gibt es da bei unseren Arbeitstischen eine Beschreibung dazu). Im konkreten Fall der Hochwasserhilfe gingen wir davon aus, dass es um die Wiederherstellung von Lebensqualität gehen müsse und um das Vertrauen in die Zukunft. Dazu hatten wir 2 Überlegungen, die wir seitdem in unserem Projekt verfolgen:

Erstens: war unser Angebot an die Gemeinden und die Betroffenen, die Ereignisse rund um die Flut für diese Region genau zu recherchieren und zu dokumentieren. Recherchiert haben wir bei den von der Flut Betroffenen und bei jenen, die für das Krisenmanagement verantwortlich waren. Und das sind viele verschiedene Systeme, die da ineinander greifen. Sie können dazu den vorgesehenen Ablauf des NÖ-Katastrophenschutzes auf einer Tafel hinten studieren. Das ist der Plan dazu, die Umsetzung ist - wie viele von ihnen miterlebt haben -, eine sehr komplexe Aufgabe. Beim Krisenmanagement wollten wir daher auch wissen, was sich besonders bewährt hat und diese Beispiele von „guter Praxis“ herausfinden und möglichst vielen zu berichten.

Die Dokumentation der vergangenen Ereignisse wird von uns in zweifacher Form zusammengestellt: hier da als Foto-, Video-, und Textausstellung und dann noch in schriftlicher Form in einer so genannten „Bildchronik“, die Ende September, Anfang Oktober erhältlich sein wird. (Ein Beispiel für solch eine Bildchronik liegt auch auf einem unserer Tische. Es beschreibt die Flut in Dresen und in Teilen von Deutschland). Für die Ausstellung und die Chronik haben wir mehr als 5000 Fotos von Betroffenen und Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt bekommen – einen kleinen Ausschnitt davon können wir hier zeigen.

Wir haben die Fotos nach Orten geordnet und nach so genannten „Spezialthemen“, die in allen Orten zu behandeln waren, wie z.B. die Katastrophenhilfe, das Aufräumen, die Betreuung der Medien und anderes.

Zusätzlich haben wir mit VertreterInnen und Verantwortlichen von Behörden und Organisationen Gespräche geführt. Zitate aus den Gesprächen oder auch Texten, die sie uns geschickt haben, finden Sie an den hinteren schwarzen Stellwänden. Dort findet sich z.B. auch ein Resümee vom Herrn Bezirkshauptmann. Das sind jeweils nur Einzelaussagen, die gesamten Texte werden dann in der Bildchronik zu lesen sein.

Zeigen werden wir auch 2 Videozusammenschnitte: einen der den Verlauf des Wassers in allen 3 Gemeinden zum Inhalt hat und einen, der die besondere Situation von Winkl zusammenfasst.

 

Zweitens: und nicht weniger wichtig für uns, ist aber der Blick in die Zukunft. Hochwasserschutz allgemein, in technischer und behördlicher Hinsicht ist vernünftigerweise ein Thema, das jene bewegt, die „am Wasser leben“ und in der Nähe von Flüssen. 

„Den Flüssen soll wieder mehr Raum gegeben werden“, war ein schönes Zitat, das ich in einer Zeitung dazu gelesen habe. Auch da geht es wieder um Fragen von Umsetzung und das Ineinandergreifen von verschiedenen Interessen und Systemen. Und auch dazu haben wir recherchiert, was da konkret für diese Region geplant ist. Wichtig wird dabei sein, wie sich lokales Wissen mit dem Wissen von Experten und den Aufgaben von Behörden verbinden lassen kann. Auch da lässt sich vom Vorjahr lernen und wird das auch eifrig auf Behörden- und Expertenebene getan. Sie können sich dazu z.B. eine dicke Studie der Hochwasserplattform der Wiener Universität für Bodenkultur ansehen. 

In unserem Projekt sehen wir eine Aufgabe auch darin, die Ideen der lokalen Ebene und der im Vorjahr Betroffenen einzubringen und den Austausch zwischen Behörden, Verantwortlichen und BürgerInnen zu stärken. Das Ziel dabei ist, eine optimale Katastrophenvorsorge zu entwickeln. Und dies nicht nur für den Fall eines Hochwassers, sondern generell. Und da könnten neben den Behörden, Feuerwehren, Rettungsorganisationen auch sonstige zivile Personen in der Gemeinde gut darauf vorbereitet sein. Dazu laden wir sie ein, von ihrer Seite noch konkrete Ideen einzubringen oder auch Vorschläge, wie daran gearbeitet werden kann (in Gesprächsrunden, in Workshops, im Internet o.ä.) und wer daran arbeiten sollte oder möchte. 

Ja, diese 2 Punkte (Aufarbeitung der Ereignisse aus dem Blickwinkel der Betroffenen und Planung für die Zukunft) wurden und werden noch über diese Ausstellung hinaus in diesem Projekt behandelt. Da Grafenwörth, Kirchberg, Königsbrunn so nahe beisammen liegen und auch im Vorjahr das Wasser von einem Ort zum nächsten weiter geflossen ist, haben wir sie hier als eine Region zusammengefasst. Wir wissen, dass es in jeder Gemeinde viele (Einzel)-Schicksale gibt, aber auch ein gemeinsames örtliches Bewusstsein und eine gemeinsame Zukunft. 

In dieser Ausstellung haben wir die Fotos der 3 Gemeinden auf sicheren kleinen Inseln arrangiert. Vielleicht kann es ja gelingen, dass sie in Zukunft ganz trocken bleiben oder die Schäden gering zu halten sind.

Wiederaufbau, Bewältigung und eine gute Vorsorge sind lange und ausführliche Aufgaben. Wir hoffen, dass wir dazu einen Beitrag leisten können. Sie laden wir dazu ein, sich mit der Ausstellung einen kurzen Rückblick in eine schwierige Zeit anzuschauen. Danach können sie wieder in eine schon bessere Gegenwart gehen und in eine hoffentlich gute Zukunft.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!