Zettelkasten
Geständnisse
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- Erstellt am Mittwoch, 10. März 2010 10:53
Manfred Nowak, Sonderberichterstatter für Menschenrechtsfragen der UNO, weist darauf hin, dass Folter in vielen Staaten weiterhin gebräuchlich sei. Einer der Gründe dafür sei, dass das Geständnis oft noch als wichtiger Beweis für die Schuld gilt. Foucault hat bereits darauf hingewiesen, dass die große Bedeutung des "Geständnisses" sich auch in sanfteren Formen der Herrschaft erhält. Letztlich zielen auch viele Gesprächstechniken der Psychotherapie (und der Sozialen Arbeit) darauf, dass die KlientInnen ihre Probleme, auch ihre "Schuld" gestehen. Das Eingeständnis soll der erste Schritt zur Veränderung sein.
Auch unter anderen Bezeichnungen wird der Wunsch der Profis nach einem Geständnis sichtbar. Die "Krankheitseinsicht" wird im medizinischen Zusammenhang gewünscht, und SozialarbeiterInnen des Jugendamtes verweigern mitunter Hilfe, wenn sich KlientInnen nicht kooperativ zeigen (wobei "kooperativ sein" meist meint, dass sie auch einen Veränderungsbedarf eingestehen und bereit sind, den Anordnungen der BehördenvertreterInnen zu folgen).
Nun, das hat schon was. Im Common-Sense-Sager "Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung" wird genau das angesprochen: Ohne ein gewisses Problembewusstsein ist ein Ausweg schwer vorstellbar.
Das Beispiel der Verbrechensaufklärung im Allgemeinen und der Folter im Speziellen (auch wenn es ein krasses sein mag) lehrt uns aber, dass Geständnisse der Wahrheitsfindung nicht immer dienlich sind. Ganz besonders gilt das für erzwungene Geständnisse. Oder umgekehrt: Wer das Geständnis eines Gesprächspartners anstrebt oder gar verlangt, schafft eine schlechte Basis für kooperative Problemlösung. Er demütigt den Gesprächspartner, provoziert vielleicht sogar eine taktische Lüge (ein falsches Geständnis).
So dringend der Wunsch der BeraterInnen auch sein mag, mit den KlientInnen ein „offenes“ und „ehrliches“ Gespräch zu führen: Offenheit und Ehrlichkeit lassen sich nicht erzwingen, wenn man sie fordert, hat man schon verloren. Und nicht nur das, man hat die Vertrauensbasis zerstört, auf der Offenheit hätte wachsen können.
xxxxxxx wird weitergeschrieben xxxxxxxx