Der 2020 Krisenblog

Vierundzwanzigster Tag

Dem Bildungsministerium scheint es derzeit am wichtigsten zu sein, das Maturaritual irgendwie zu retten. Um jene Schülerinnen und Schüler, die gerade den Kontakt zur Schule verlieren, scheint man sich weniger zu kümmern. Das sollen die herzlich wenigen Schulsozialarbeiter*innen tun, wenn der Bericht von der Pressekonferenz stimmt, den ich gehört habe. Dabei wäre es gerade jetzt eine Gelegenheit, ein wenig nachgehend zu arbeiten – Kontaktaufnahme per Telefon durch die Klassenvorstände, Bereitstellung von ausgedruckten Materialien zur Abholung, Beratung für Schülerinnen und Schüler anbieten, die sich schwer tun mit dem Distance Learning. Stelle ich mir halt so vor, und einiges davon empfiehlt auch die OECD:
„Perhaps the greatest risk in this crisis is that the social fabric created in and by schools will become fractured. Learning is not a transactional process, where students are passive consumers of content, where schools are service providers and where parents are clients. Learning always happens through interaction and in an environment of well-being and self-efficacy for both learners and teachers. The success of students over the coming weeks and months, particularly those from disadvantaged groups, critically hinges on maintaining a close relationship with their teachers. In this crisis, schools need to provide ways for teachers to remain socially close when they are physically distant. TALIS shows that this comes naturally to teachers: 9 out of 10 teachers said they joined the profession to make a difference to the lives of children, and three-quarters expressly referred to the opportunity to benefit the socially disadvantaged. The task for school systems is to support teachers in this mission.“
Christina und ich haben einen kleinen Leitfaden dafür zusammengestellt, einzusehen auf meiner Website www.pantucek.com
Maren Urner empfiehlt, auf Medien- und Informationshygiene zu achten. Das ist etwas anderes, als das sogenannte „Digital Detoxing“, von dem ich wenig halte – denn meines Erachtens kommt es nicht auf den Kanal an, sondern auf den Inhalt. Ich halte mich da eher an die Kollegin, die meint, man müsse dosieren, welche Informationen man in welchem Ausmaß überhaupt haben will. Allzuviel Junk vermüllt das Gehirn, und zu viele kleine G´schichterln oder Details lenken den Blick ab, man beschäftigt sich mit zu vielen Banalitäten. Es ist nicht leicht, hier bewusst auszuwählen, aber es lohnt sich.
Jeden Tag neue Meldungen darüber, wie böse Zoom ist oder doch nicht. Die Hektik bei der Wahl der Software beschäftigt das Team. Die angeblich so sicheren Alternativen funktionieren eher schlecht, wenn man sie ausprobiert. Eine zusätzliche Verunsicherung, die man jetzt eigentlich nicht brauchen kann.
Der längst bestellte Fußball ist endlich eingetroffen, heute wie jeden Abend blicke ich diesen Text schreibend auf ein schönes Abendrot, jetzt eher ein Abendorange. Die letzten Spaziergänger des Tages ziehen am anderen Ufer des Marchfeldkanals vorbei. Ein Kind singt beim Radfahren. Hinter mir leuchtet unser Haus.
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