Der 2020 Krisenblog

Achtunddreißigster Tag

Heute hatte ich doch wirklich die Assoziation, dass meine Lage Aspekte von sensorischer Deprivation beinhaltet. Ja, ich weiß, ich liege nicht gefesselt in einem schalltoten verdunkelten Raum, aber meine Welt ist klein geworden. Das Haus, der Garten, und drei Rundwege, die ich täglich begehe. Ein Mini-Aktionsradius. Die Sensationen, die ich mir dort hole, sind einer gesteigerten Aufmerksamkeit für diese wohlbekannte Umgebung geschuldet. Ich achte auf die vielen Geräusche, die Tiere machen, betrachte Insekten, Vögel, Fische, Wasservögel und anderes Getier – und die Pflanzen. Die kleine Welt.
Ich überlege mir, wie das sein wird, wenn ich mich wieder weiter wegbewege. Werde ich Freude empfinden und staunen, wenn ich zum Beispiel wieder einmal den Hauptbahnhof sehe? Sollte ich nicht eine Exkursion zum Ring machen, in die Innenstadt, sie neu sehen? Neu nicht nur als nunmehr wenig frequentierte Gegenden, sondern neu auch dadurch, dass der Blick nach der Entwöhnung ein fremder sein könnte. Wie lange wird diese Fremdheit durchzuhalten sein? Länger als ein paar Minuten?
Jedenfalls freue ich mich auf die Möglichkeit des Staunens beim Anblick des sonst Gewöhnlichen.
Bis dahin staune ich über die Tulpen im Garten.
 
2025-11-23 um 16.42.46