Der 2020 Krisenblog

Dreiundvierzigster Tag

Ich führe seit ca. 10 Jahren Buch über all meine Arbeiten: Was mache ich wo von wann bis wann? Es hilft mir, einen Überblick zu bewahren. Neuerdings änderte sich vor allem das „wo“. Seit Beginn der Pandemie-Einschränkungen steht hier bei allen Arbeiten das Kürzel für zu Hause, und das entspricht der Realität, wenn man darunter versteht, wo sich während der Tätigkeit mein Körper befindet. Ist das aber auch der Ort der Tätigkeit? Ich ertappte mich immer öfter dabei, dass ich z.B. statt zu Hause „Zoom“ eintragen wollte. Ich sitze bei Besprechungen zwar zu Hause, wie die anderen auch, aber die Tätigkeit findet im Zwischenraum statt, im Zoom-Raum. In einem Raum der Kommunikation, der eben nicht mein Hausbüro ist. Ich könnte auch ganz wo anders sitzen, es machte keinen Unterschied. Und ganz zu Hause ist man bei solchen Meetings ja nicht wirklich.
Bisher konnte ich es noch vermeiden, eine Maske aufsetzen zu müssen, es wird mir aber nicht erspart bleiben. Ich hoffe darauf, dass die Gesichtsvisiere als Maskenäquivalent freigegeben werden. Ich verberge mich nicht gerne, und ich sehe andere Menschen gerne. Auch für die Sozialarbeit wäre es sehr hilfreich, den Klientinnen und Klienten unvermummt begegnen zu können.
Wir sind Menschen begegnet, die auf die Bitte, den Abstand einzuhalten, höhnisch antworteten „naja, wenn Sie daran glauben“. Sie hielten uns anscheinend für bescheuert, so wie manche Kommentatoren, die die relativ gute Disziplin der Bevölkerung als bedenkliche Bereitschaft zur Unterwerfung interpretieren. Echte Freigeister und die wahren Vertreter*innen des Erbes der Aufklärung scheinen sich dadurch auszuzeichnen, dass sie sich gerade jetzt in pubertärer Aufmüpfigkeit üben. Ist etwas ermüdend.
Die Enten sind heute etwas unruhig – sie jagen einander übers Wasser, und ich wüsste gerne, worüber sie streiten.
Schattenspiele in der Semmelweisgasse.
 
2025-11-23 um 17.01.37