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Die Zukunft der beruflichen Anforderungen und Kompetenzen in der Sozialen Arbeit
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- Erstellt am Sonntag, 14. März 2010 07:57
Referat auf der Tagung „Wer hilft den HelferInnen? Kompetenzen, Berufsfelder und Arbeitsbedingungen von SozialarbeiterInnen“, Wien, 23. Mai 2005
Mit der Zukunft ist das so eine Sache: Sie kommt immer anders, als man denkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie in 10 Jahren bei Durchsicht meines Beitrags nur nachsichtig lächeln, ist groß.
Ich werde mich also sicherheitshalber zuerst mit jener Zukunft beschäftigen, die schon geplant und schon beschlossen und daher absehbar ist: Das ist die Zukunft der Ausbildung für die Soziale Arbeit. Diese Zukunft hat schon begonnen, und es ist absehbar, wie es weitergehen wird. Da bewege ich mich auf relativ sicherem Gelände. Die berufliche Weiterbildung wird uns dann schon in unsicherere Gegenden führen. Und dann werde ich mich mit den wahrscheinlichen künftigen Entwicklungen des Sozialwesens und damit dieses Sektors des Arbeitsmarkts, in dem wir agieren, beschäftigen.
Qualifikationswege
Blicken wir auf die nächsten Jahre, so sehen wir eine bizarr wirkende Ausbildungslandschaft. Wie Sie alle wissen, haben die Akademien für Sozialarbeit in den letzten Jahren ihr Leben ausgehaucht.
Es ist Zeit für einen kurzen Nachruf. Die Akademien waren Schulen, die eine hinreichende Distanz zu den Hochschulen und Universitäten hatten, um sehr praxisorientiert ausbilden zu können. Gleichzeitig schickten sie die Absolventinnen und Absolventen in eine Sackgasse. Aufbauend auf die Akademie gab´s nix mehr, man war auf den freien Markt der nicht-akademischen Bildungsangebote verwiesen: Therapieausbildungen und ähnliches. Die Akademien haben die berufliche Identität der Sozialarbeit bewahrt, haben sie aber auch auf einem niedrigen Level gehalten. Die Akademien sind Geschichte. Ende des Nachrufs.
Was nicht Geschichte ist, sondern Gegenwart und Zukunft, sind die zahlreichen AbsolventInnen der Akademien. Sie sind jene, die derzeit die Sozialarbeit als Profession repräsentieren. Sie werden noch Jahrzehnte in diesem Feld tätig sein, werden es wesentlich mitprägen. Viele von ihnen sind bereits heute in leitenden Positionen und werden das auch in Zukunft sein.
Spätestens ab Sommer 2005 werden die DSAs aber nicht mehr allein die RepräsentantInnen der Profession sein. Es erscheinen die ersten AbsolventInnen der Fachhochschul-Diplomstudiengänge auf dem Arbeitsmarkt. Das wird noch keine Revolution auslösen, da bin ich mir sicher. Die Dienstgeber werden noch sehr unsicher sein, was sie mit diesen Leuten tun sollen. Manche werden meinen, das sei ohnehin das gleiche wie die DSAs, andere wieder werden überzogene Vorstellungen haben, was die nunmehrigen FH-AbgängerInnen wer weiß nicht alles können oder dass sie so besonders klüger seien als die vormaligen Akademie-AbsolventInnen.
Tatsächlich haben beide recht: Wir beobachten an der FH eine Ausdifferenzierung. Es gibt jene StudentInnen, die das Hochschulstudium als eine Herausforderung betrachten, die brillante Diplomarbeiten schreiben, deren sich eine Uni wahrlich nicht schämen müsste, und die sehr gerne auch noch ein Doktoratsstudium anhängen würden. Am liebsten ein Doktorat in Sozialarbeitswissenschaft. Und es gibt jene Studierenden, die endlich „richtig“ arbeiten wollen, die mit den Wissenschaftlichkeitsansprüchen nichts anfangen wollen und nichts anfangen können.
Hier kündigt sich eine Ausdifferenzierung an, die in den nächsten 10 bis 15 Jahren sicher noch deutlicher werden wird. Einer der Gründe dafür ist die europäische Hochschulpolitik, vor allem die europaweite Umgestaltung der Hochschulabschlüsse, bekannt unter dem Stichwort „Bologna-Prozess“. Dieser in der gesamten Union stattfindende Prozess hat eine Reihe von Komponenten, von denen die Vereinheitlichung der Abschlüsse nur ein Teil ist. Es ist Ihnen bekannt, dass eine der gravierendsten Änderungen die Einführung eines Bakkalaureats- bzw. Bachelor-Abschlusses als ersten Abschluss ist, auf diesen Bachelor setzt dann ein Master-Studium auf. Zum Master kommt man nach 5 Studienjahren – immer vorausgesetzt, man schafft das Studium in der Mindeststudienzeit. An Fachhochschulen ist das ja die Regel.
Sehen wir uns also einmal an, welche Bildungsgänge jene Kolleginnen und Kollegen absolviert haben werden, die sich in ca. 10 Jahren als SozialarbeiterInnen im Berufsfeld tummeln werden.
Im Vergleich zu früheren Verhältnissen mag das unübersichtlich sein. Über die AbsolventInnen der Diplomstudiengänge haben wir bereits gesprochen, sie sind in Kürze auf dem Arbeitsmarkt, und da strömen in den nächsten 5 Jahren noch einige nach. Lauter Magistri (FH). Dazu wird auch noch eine gewisse Anzahl an Akademie-AbsolventInnen kommen, die einen berufsbegleitenden Magisterstudiengang, einen sogenannten Nachgraduierungsstudiengang besucht haben werden. Es sieht so aus, als würden das nicht allzuviele werden. Das liegt nicht am mangelnden Interesse der KollegInnen, sondern an der bloß tröpfelnden Finanzierung durch das Bildungsministerium. Zumindest vorerst wird das ein Abschluss auf dem Niveau der Diplomstudiengänge sein. Sie sehen, das ist noch nicht Bologna-konform, denn das sind nur 4 Jahre Studium.
Nächstes Jahr, also im Herbst 2006, werden an einigen Standorten, u.a. in St.Pölten, aber noch nicht in Wien, die ersten Bakkalaureats-Studiengänge starten. Auf den ersten Blick scheint das zu heißen „zurück an den Start“, zurück zu den 3 Jahren der alten Akademie. Das kann man so sehen, und doch wird es etwas anderes sein. Die künftigen Bakkalaureats-Studiengänge werden immer noch SozialarbeiterInnen heranbilden, sie werden praxisbezogen sein, sie werden auf eine soziale Berufstätigkeit vorbereiten. Aber sie werden – das lässt sich jetzt bereits voraussagen – intensiver sein, als es die Akademien waren. Das liegt an der Entwicklung des Berufs, darüber werde ich später noch sprechen, das liegt aber auch an ihrer neuen Einbindung in das Hochschulsystem. Die künftigen Bachelor werden fit für den Beruf sein, und es ist anzunehmen, dass tatsächlich ein guter Teil der AbsolventInnen dann vorerst einmal in den Beruf geht, praktische Sozialarbeit macht, „Front Line Social Work“. Ein Teil aber wird auf der Hochschule bleiben oder möglichst rasch auf sie zurückkehren wollen. Das sind jene, die ich schon vorhin erwähnt habe: Jene, die wissenschaftliche Neugier haben, die im Feld des Sozialwesens forschen wollen, die sich spezialisieren wollen. Sie können weitere 2 Jahre studieren, und dieses Studium wird an den Fachhochschulen weiterhin eine berufspraktische Ausrichtung haben müssen. Von einem völligen Abtriften jener Studierenden in den Elfenbeinturm akademischer Präpotenz kann also keine Rede sein. Sehr wohl aber von einer intensiveren Aneignung von Fähigkeiten der strukturierten Reflexion, wie sie für wissenschaftlich grundgelegte Berufe Standard ist.
Wie diese künftigen Magisterstudiengänge aufgebaut sein werden, darüber lässt sich heute noch wenig sagen. Die FHs haben noch einige Jahre Zeit, bevor sie die Curricula konzipieren müssen. Vorüberlegungen gibt es allerdings schon. Die ersten AbsolventInnen werden wahrscheinlich 2011 am Arbeitsmarkt erscheinen. Dann hätten wir die neue professionelle Landschaft der Sozialarbeit komplett. In den Jahren darauf (ich spreche von 2011 bis 2020 und später) wird sich langsam der Anteil der DSAs verringern, der Anteil der Bachelor und Master erhöhen. Sie sehen, das ist ein langfristiger Prozess. Und der wäre sogar noch einigermaßen überschaubar, wenn, ja wenn es nicht auch noch den oberen Teil dieser Grafik gäbe.
Aber vorerst muss ich noch etwas zu verbreiteten Ängsten sagen, die Akademie-AbsolventInnen könnten auf dem Arbeitsmarkt ins Hintertreffen geraten. Ich halte das für gleichzeitig unwahrscheinlich und für wahrscheinlich.
Unwahrscheinlich ist es, weil die Kolleginnen und Kollegen bereits gut verankert sind in der Branche. Sie haben teils reiche Berufserfahrung und stechen damit locker die Frischlinge aus, die von der FH kommen. Der Arbeitsmarkt in Österreich ist ja nicht gerade überschwemmt von SozialarbeiterInnen, und die Branche wächst immer noch.
Wahrscheinlich ist allerdings, dass jene, die glauben, mit dem Erwerb des Diploms hätten sie für ihre Berufslaufbahn genug gelernt, keine Chance auf interessante Posten haben werden. Das wird allerdings auch für die kommenden FH-AbsolventInnen gelten.
postgraduale Bildung
Und damit komme ich jetzt doch zum oberen Teil der Grafik und zum zweiten Teil meines Referats: Zur Bildung nach dem Diplom, zur postgradualen Bildung.
Eine professionelle Berufskarriere wird in Zukunft – nicht nur in der Sozialarbeit – nicht mit dem Erwerb eines berufsqualifizierenden Diploms, Bakkalaureats oder Master-Titels auf Dauer garantiert sein. Längst sind es nicht nur die naturwissenschaftlichen Fächer, die ihren Wissensstand rasant vergrößern, sondern auch die Professionen, die mit Sozialtechnologie zu tun haben. Auch hier geht die Spezialisierung munter voran, und die Techniken der Fallbearbeitung, der Organisation von Hilfen, des Gesprächs etc. entwickeln sich zügig weiter. Für die Tätigkeit in Spezialgebieten braucht man spezielle Kenntnisse, und um auf dem gleichen Niveau zu bleiben, muss man ständig weiterlernen. Dieses Weiterlernen wird auch im Sozial- und Gesundheitswesen zum Standard werden, und 3-tägige durch den Dienstgeber organisierte Fortbildungen jährlich werden nicht reichen.
Vor allem jene, die interessante Aufgaben haben wollen, die auch konzeptuell, innovativ und herausfordernd tätig sein wollen, werden weiterführende Bildungsangebote nutzen müssen. Für die Sozialarbeit ist das ja nicht neu, schon bisher haben viele Kolleginnen und Kollegen Zusatzausbildungen absolviert. Das Ende der Akademie als Bildungssackgasse eröffnet in Zukunft aber neue Möglichkeiten, die ich hier andeuten will, bevor ich mich mit den künftig interessanten Wissensbeständen beschäftigen werde.
Eine Option, die wir den Kolleginnen und Kollegen eröffnen wollen, ist die eines Doktoratsstudiengangs. Das wird nicht für viele eine Möglichkeit sein, aber es soll doch für einige möglich sein. Für jene, die sich auf einem sehr hohen Niveau mit Sozialarbeit beschäftigen wollen. Wir als Profession brauchen solche Leute. Sie sollen – in Übereinstimmung mit ihrer sozialarbeiterischen Identität – an der wissenschaftlichen Grundierung des Berufs arbeiten. Sie sollen die Möglichkeit haben, zu forschen und als akademische ExpertInnen aufzutreten, als sozialarbeiterische akademische ExpertInnen. Und wir brauchen jene künftigen Kolleginnen und Kollegen auch als Lehrende an den Fachhochschulen. Momentan gibt es noch große, ja geradezu unüberwindliche Hürden beim Zugang zu einem Doktoratsstudium als SozialarbeiterIn. Wir hoffen, dass sich diese Hürden sukzessive abbauen lassen, das Team der FH St.Pölten arbeitet daran, aber ich bin sicher, es wird da nicht allein bleiben.
In größerem Ausmaß werden allerdings die bereits bestehenden und die künftigen berufsbegleitenden Master-Studiengänge, die sogenannten Weiterbildungsmaster die Landschaft verändern. Zuletzt waren es fast ausschließlich Sozialmanagement-Master, die im Berufsfeld eine Rolle gespielt haben, in Zukunft werden einige weitere Felder hinzukommen. Nun können auch die Fachhochschulen Hochschullehrgänge, auch mit Master-Abschluss, anbieten, und während die Hochkonjunktur des Sozialmanagements vorbei sein dürfte, werden neue Angebote entstehen.
Diese Weiterbildungsmaster sind teuer. Derzeit muss man mit mindestens ca. 10000 Euro für ein 4-semestriges Studium rechnen. Im günstigen Fall erhält man Unterstützung vom Arbeitgeber. Ein oder mehrere solche Studien werden in Zukunft wohl für manche zur berufsbezogenen Bildungslaufbahn gehören.
Weiterhin werden natürlich Zusatzausbildungen ohne akademischem Abschluss eine Rolle spielen, seien es jetzt Supervisions-, Mediations-, Suchtberater-, Therapie- Ausbildungen oder was es noch so relevantes auf diesem Markt gibt. Abzusehen ist allerdings, dass die seriöseren (und leider auch die unseriöseren) dieser Angebote versuchen, sich in das System der Hochschulabschlüsse einzuklinken.
Etwas anderes zeigt sich hier auch, sie sehen´s auf der Grafik: In diesem Feld der Zusatzausbildungen und sozialwesenbezogenen Master-Studiengänge sind die Sozialarbeiterinnen nicht mehr allein: Auch Leute, die aus ganz anderen beruflichen Bildungskarrieren kommen, machen diese Kurse, und sie erwerben dadurch Wissen, das sozialarbeitstypisch ist. Sie treten dann gestärkt als KonkurrentInnen auf dem Arbeitsmarkt auf.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich die Reviere der Sozialarbeit über ein Berufsgesetz oder ähnliche standespolitische Initiativen so weit abschotten lassen, dass da niemand eindringen kann. Und bin mir auch gar nicht sicher, dass das wünschenswert wäre.
berufliche Anforderungen der Zukunft
Die Zukunft ist nicht nur voraussehbar, sondern auch offen. Der nun anschließende Teil des Beitrags ist reine Spekulation.
Eigentlich schreibe ich jetzt darüber, wie ich selber mir die Kolleginnen und Kollegen in der Zukunft wünsche. Ich habe da Übung, Anfang 2000 wurde ich von einer inzwischen sanft entschlummerten Zeitschrift gefragt, was ich mir von der Sozialarbeit im neuen Jahrzehnt so wünsche. Ich habe das jetzt nachgelesen, und da stand am Ende etwas ganz seltsames:
Ich zitiere: „Vor kurzem feierte der OBDS, der Berufsverband Diplomierter Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen, seinen 50. Geburtstag. Eine Gitarrenband spielte im Wiener Rathaus auf: Alte Hadern aus den 50er, 60er und 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. In 10 Jahren wird vielleicht ein Verband Soziale Arbeit nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft feiern: Mit aktueller Musik, in einem modernen Ambiente. Und es werden nicht die alten Herren und Damen meiner Generation das Bild bestimmen, sondern jene, die im Jänner 2000 noch gar nicht in diesem Berufsfeld gearbeitet hatten. Die haben dann vielleicht auch einen besseren Geschmack.“
Dieses Fest muss ja ein traumatische Erlebnis gewesen sein.
In einem Krimi von Ake Edvardson sagt der Kommissar Winter so oder so ähnlich: Wir versuchen der Welt immer eine Ordnung zu geben, aber diese verdammte Gesellschaft hält nicht still.
Das ist es, womit wir rechnen müssen. So wie unsere KlientInnen nicht still halten, hält auch die Gesellschaft nicht still, sie will immer wieder das Gleiche von den SozialarbeiterInnen, aber auch immer wieder Neues und auf eine neue Art. Und wir müssen uns immer wieder neu erfinden. Wir müssen immer wieder besser werden.
Die wichtigsten Linien dieser professionellen Selbstverbesserung wären nach meiner Einschätzung:
+++ mehr Organisationsverständnis
Das zeichnet sich schon seit längerem ab: Der bloße Rückzug in eine Dienstnehmerrolle wird nicht reichen. Sozialarbeit organisiert Hilfe, und als organisierende Profession muss sie Verständnis für das Funktionieren von Organisation und von Organsiationen haben. SozialarbeiterInnen sind auch ManagerInnen.
+++ Komplexität managen
Sozialarbeit hat es mit immer komplexeren gesellschaftlichen Verhältnissen und mit immer komplexeren und damit auch schwierigeren Fällen zu tun. Hausverstand ist nützlich, aber schon jetzt und erst recht in Zukunft nicht hinreichend.
+++ auf Augenhöhe kooperieren können
Sich weinerlich zu beschweren, dass man von anderen Berufsgruppen nicht genügend anerkannt wird, ist gestern. Die gleichberechtigte Position muss erkämpft und legitimiert werden: durch klare Expertise, durch nachweisbare Erfolge, durch gut sein, auch nach den Standards akademischer Professionen.
+++ Arbeitsökonomie
Soziale Arbeit ist eine intelligente und eine intellektuelle Beschäftigung. Sie macht Spaß, mit Arbeitsverweigerung verhindert man kein Burn Out, ganz im Gegenteil. Künftige und erfolgreiche Sozialarbeit arbeitet ökonomisch, das heißt, sie vermeidet unnötige Leerläufe, sie ist schnell, wo erforderlich, und verlangsamt nur dort, wo es sachlich nötig ist. Sie schätzt die Arbeitsökonomie.
+++ laufendes Upgrading der Kenntnisse
Das ist nichts Neues, ich habe es schon erwähnt. Die künftige Sozialarbeit ist eine ständig lernende.
+++ traditionelle Fertigkeiten bewahren
dabei bleibt Sozialarbeit, was sie ist und immer schon war: Kenntnisreiche Tätigkeit, hervorragend in der Kommunikation mit den KlientInnen, gut verhandelnd, reflexiv.
Eine große Herausforderung an sozialarbeiterische Kompetenz der Zukunft habe ich verdrängt, sie steht da nicht so ausdrücklich, aber ich wurde heute Vormittag in Zusammenhang mit einer Projekteinreichung unsanft daran erinnert: Sozialarbeit muss bürokratisch fit sein, präzise planen können, kalkulieren und budgetieren, sie muss „just in time“ sein, jeden Termin einhalten können und genau Buchhaltung führen etc. etc., Sozialarbeit ist in Zukunft antibürokratisch nur mehr, soweit es die Fallarbeit erfordert. Nicht durch eigene schlampige Ungenauigkeit. Oder andersrum: Genauigkeit wird ein Kennzeichen von zukünftiger Sozialarbeit sein müssen.
Tendenzen
Zu meinen, dass die Sozialarbeit nur bewahren müsse, ist der falsche Weg. Die Bedingungen für die Sozialarbeit ändern sich, und sie werden keineswegs nur schlechter. Es gibt interessante Tendenzen, und wir sollten schauen, was wir daraus machen können:
Das Gesundheitswesen schluckt nicht nur jetzt schon viel Geld, es wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter wachsen. Die Rolle des Gesundheitswesens und innerhalb dieser Branche die Rolle der nicht-medizinischen Tätigkeiten wird bedeutender. Hier ist Sozialarbeit gefragt: bei der Gesundheitsvorsorge, bei der Nachsorge, bei Mental Health und bei Public Health. Hier ist, wie ich meine, eine offensive Strategie gefragt. Sozialarbeit hat so viel Know How, das in diesem Bereich wichtig ist, wir können Sozialarbeit und sozialarbeiterisches Wissen exportieren.
Case Management. Das ist nicht nur eine sozialarbeiterische Angelegenheit, aber es ist vor allem eine sozialarbeiterische Domäne. Ein großes Thema der nächsten Jahre, vor allem auch im Gesundheitswesen. Case Management kann aufgefasst werden als eine neue (allerdings nicht grundlegend neue) Art der guten alten Einzelfallhilfe, des Case Work. Eine stärker diagnostische, verhandelnde, organisierende und kontrollierende Art des Case Work. Case Management wird ein Thema über lange Jahre sein.
Sozialraumorientierung definiert die Organisationsformen des Sozialen neu. Sie bindet sie an an die zivilgesellschaftliche Selbstorganisation der Gesellschaft, geht in Richtung Vernetzung, lokaler Lösungen, lokaler Budgets. Sozialarbeit muss lernen, hier vorzupreschen und ihre Expertise zu entwickeln. Da ist viel zu entwickeln: Formen der Partizipation und ein demokratisches Selbstverständnis.
Evidence based social work: und schließlich eine Tendenz, die uns möglicherweise nicht gefällt, mit der wir wahrscheinlich in Zukunft zu rechnen haben werden: Sozialarbeit wird auch über empirische Untersuchungen überprüft werden, und sozialarbeiterische Interventionen werden auf ihre Wirksamkeit beforscht werden. Was nachgewiesenermaßen unwirksam ist, wird wohl kaum weiter finanziert werden. Über die Methoden der Untersuchung wird trefflich zu streiten sein, die Tendenz lässt sich aber kaum aufhalten. Um hier noch einmal auf einen früheren Abschnitt dieses Referats zurückzukommen: Auch deshalb brauchen wir sozialarbeiterisch gebildete WissenschafterInnen: Es sollen die Angehörigen der eigenen Profession, die ein Verständnis haben, worauf´s ankommt, die wissen, worum es in der Sozialarbeit geht und was sozialarbeiterische Ziele sind, die Wirksamkeit unserer Arbeit untersuchen. Und dazu braucht´s halt auch eine wissenschaftliche Ausbildung.
Resümee
Ich habe zuerst die bereits geplante Zukunft beschrieben, die künftigen Ausbildungsgänge in der Sozialarbeit, habe mich dann mit erwartbaren Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt, um schließlich ein wenig über künftige Anforderungen an die Profession zu fantasieren. Natürlich wäre noch viel zu sagen, vieles blieb unausgesprochen, zum Beispiel die Auswirkungen großer organisatorischer Veränderungen auf Seiten der Träger. Die Grundbotschaft, die ich Ihnen vermitteln will, ist allerdings die, dass professionelle Sozialarbeit nicht am Ende, sondern am Anfang einer großen Karriere steht, dass die Chancen bei weitem überwiegen, auch wenn es in Teilbereichen kurzfristig anders aussehen mag.
Wegen der weiteren Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft, wegen absehbarer demographischer Entwicklungen wird Sozialarbeit auch in Zukunft bedeutender werden. Sie wird gesellschaftlich wichtiger.
Gleichzeitig wird sie anders, wird sie ihr Gesicht wandeln, und sie wird sich selbst ausdifferenzieren. Das Berufsbild wird heterogener werden.
Und, wenn es nach mir geht, wenn sie ihr Potenzial entwickelt, dann wird sie zur Leitdisziplin des Sozialwesens werden, zur Disziplin (und das heißt immer auch und vor allem: wissenschaftlichen Disziplin), die bei Fragen der organisierten gesellschaftlichen Hilfe ein wichtiges Wort mitzureden hat.
Voraussetzung dafür ist eine offensive Strategie, Voraussetzung ist eine Entwicklung der wissenschaftlichen Disziplin, ist ein Nutzen der Chancen der kommenden Differenzierung – oder sagen wir es überdeutlich – der kommenden Ungleichheit unter den SozialarbeiterInnen.
Es wird eine moderne und selbstbewusste Profession sein, deren VertreterInnen nicht in Nostalgie schwelgen müssen, auch nicht in ihrem Musikgeschmack.
Die Soziale Arbeit hat eine spannende und an Herausforderungen reiche Zukunft.