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Sozialdiagnose und Beratung in den Betreuungsbehörden
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- Erstellt am Sonntag, 14. März 2010 09:11
Referat, gehalten auf der Jahrestagung der LeiterInnen der Betreuungsbehörden, 22.Mai 2006 in Erkner (D).
zugehörige Präsentationsfolien (PDF, 7,2 MB)
Sehr geehrte Damen und Herren,
Zuerst möchte ich mich für die Einladung zu Ihrer Tagung bedanken und Sie damit vorsorglich wohlwollend stimmen. Denn dem Anspruch des Referatstitels werde ich nur bedingt entsprechen können. Auch nach der Lektüre einiger Texte aus den Dokumentationen Ihrer bisherigen Tagungen kenne ich Ihre Arbeit nicht gut genug, um mir ein ganz auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Referat zuzutrauen. Ich empfehle Ihnen also, mir nachsichtig zuzuhören, und mich in der anschließenden Diskussion zu belehren, was für Sie braucbar sein könnte und was nicht, was welcher Adaptionen bedarf. Ich nehme mir das Recht des Fremden, des Ausländers heraus, mich bei Ihnen nicht so gut auszukennen.
Mein Blick auf die deutschen Betreuungsbehörden ist also ein fremder Blick, ein wenig informierter Blick. Das hat Vorteile, Ich kann meine Naivität kultivieren. Ich kann zum Beispiel von vornherein davon ausgehen, dass die Aufgabenstruktur der Betreuung eine genuin sozialarbeiterische ist, was nicht unbedingt heißen muss, dass diese Aufgabe immer von SozialarbeiterInnen wahrgenommen werden muss. Aber es heißt, dass m.E. grundlegende sozialarbeiterische Überlegungen die fachliche Basis für die Organisation der Betreuung und für die Qualitätseinschätzung bilden. Davon werde ich ausgehen.
Wenn ich Ihnen heute etwas über Soziale Diagnostik erzähle, dann tue ich das, ohne genau zu wissen, wie Sie sogenannte Sozialdiagnosen erstellen. Trotzdem gehe ich davon aus, dass es relevant für Ihr Arbeitsfeld sein könnte, was ich Ihnen erzähle. Einige Überlegungen zum Einsatz der Verfahren Sozialer Diagnostik in der Betreuung werde ich daher abschließend zur Diskussion stellen.
Doch vorerst zur Diagnostik selbst.
Professionalität und Soziale Diagnostik
Naja, vielleicht doch noch nicht direkt zur Sozialen Diagnostik. Zuerst sind noch einige Sätze zur Professionalität erforderlich.
Am Beginn der Professionalisierung der Sozialen Arbeit standen Bemühungen zu einer Begründung Sozialer Diagnostik. Die professionalisierte Sozialarbeit hat ein amerikanisches und ein deutsches Gründungsdokument. Es sind das das 1917 in den USA erschienene Buch „Social Diagnosis“ von Mary Richmond und das bald danach in Deutschland erschienene Buch „Soziale Diagnose“ von Alice Salomon. In beiden Fällen ging es darum, dass die soziale Existenz von Personen selbst ein komplexer Sachverhalt ist, dessen Deutung und Einschätzung einer Expertinnenleistung bedarf. So wie die Medizin als Wissenschaft und Profession sich ja nicht schon allein dadurch erübrigt, dass jeder einen Körper und Erfahrungen mit dessen Funktionieren hat, erledigt sich die professionelle Beschäftigung mit der sozialen Einbindung der Menschen nicht schon dadurch, dass ja jede und jeder sein Leben in einem gesellschaftlichen, sozialen Kontext zu führen hat.
Soziale Arbeit hat sich als Beruf mit Qualifikation auf Hochschulebene deshalb entwickelt und etabliert, weil aufgrund der Ausdifferenzierung der Gesellschaften, der Komplexität und Unübersichtlichkeit ihrer rechtlichen und organisatorischen Konstruktion, soziale Einbindung sich eben nicht mehr für alle überschaubar und automatisch herstellt. Und weil bei Vorliegen sozial schwieriger persönlicher Situationen das Finden von Wegen eines Lebens IN der Gesellschaft Spezialkenntnisse voraussetzt, über die eben nicht jeder Mann oder jede Frau selbstverständlich verfügt.
Die soziale Einzelfallarbeit ist also dann als professionalisierte Arbeit indiziert, wenn eine besonders schwierige Lebenssituation vorliegt, die in bestimmten Aspekten oder als ganzes mit dem zur Verfügung stehenden Alltagswissen und/oder mit der im natürlichen lebensweltlichen Umfeld vorfindlichen oder kaufbaren Unterstützung nicht bewältigt werden kann.
Für die korrekte, die fachgerechte Ausführung dieser Tätigkeit bedarf es nicht nur eines Überblicks über im jeweiligen Feld vorfindliche gesellschaftliche Prozesse der Exklusion und Inklusion, vor allem über die Möglichkeiten, Inklusion auch unter erschwerten Bedingungen auf den Weg zu bringen. Dafür bedarf es auch eines Wissens über die Eigendynamik des Unterstützungsprozesses selbst. Unerwünschte Nebenwirkungen, die im Resultat zur Neukonstituierung von Abhängigkeiten führen können, müssen erkannt und methodisch minimiert werden können. Das ist, was SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen in ihrem Qualifikationsprozess zu erlernen haben.
Soweit zur Struktur und Notwendigkeit von Professionalität im System der sozialen Unterstützung insgesamt. Wir können darüber diskutieren, in welchem Ausmaß die genannten Bedingungen in Ihrem Feld vorliegen bzw. wie denn jene Fälle zu erkennen wären, bei denen sie vorliegen und eine nicht bloß laienhafte, sondern fachlich fundierte Betreuung indiziert wäre.
Nach dieser kurzen Betrachtung zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit als Reaktion auf die Entwicklung der modernen Gesellschaft im 20. Jahrhundert können wir uns mit Diagnostik beschäftigen.
Es hat 8 Jahrzehnte gebraucht, bis in der Sozialen Arbeit die Rede von der Sozialen Diagnose wieder Konjunktur hat. Auf den ersten Blick ist das erstaunlich. Erstaunlich ist, dass es so lange still war um eine kontrollierte soziale Diagnostik, erstaunlich ist aber auch die Renaissance des Interesses dafür.
Ich werde Ihnen zuerst einige schlechte und einige gute Gründe für dieses Interesse nennen.
Dann werde ich skizzieren, welche Anforderungen diagnostische Instrumente für die Beratungs- und Unterstützungspraxis erfüllen müssen, sollen sie nützlich und anwendbar sein.
Dann werde ich einige Verfahren der Sozialen Diagnose vorstellen, um schließlich mit einem Plädoyer für den Einbau dieser und ähnlicher Verfahren in die Fallbearbeitung abzuschließen.
Schlechte Gründe für die Renaissance der Sozialen Diagnostik
Beginnen wir mit den schlechten Gründen, und als Hintergrundbild sehen Sie eine zu Recht skeptisch blickende Klientin.
Die Träger der Sozialen Arbeit, vor allem die Managementebenen, drängen auf eine bessere Beschreibbarkeit und Steuerbarkeit der Sozialen Arbeit. Sie müssen zunehmend Leistungsbeschreibungen erstellen, um ihre Finanzierung zu sichern. Dabei ist ihnen eine Orientierung an von der Legislative und dem ministeriellen Beamtenapparat formulierten Zielen und Kennzahlen vorgegeben. Während die Medizin die Definitionsmacht darüber hat, was eine Krankheit ist und was nicht (wobei es in ihrem Interesse liegt, möglichst jede Normabweichung als Krankheit zu definieren), hat die Sozialarbeit nicht die Definitionsmacht darüber, was ein soziales Problem ist. Die Definition eines sozialen Problems ist ein öffentlicher diskursiver Prozess, ein seinem Wesen und letztlich auch seiner Form nach politischer Prozess.
Die Träger, denen eine stärkere Flexibilität bei der Erbringung von Dienstleistungen an die Politik abverlangt wird, verlangen diese Flexibilität und bessere Steuerbarkeit zunehmend auch von ihrem Personal. Über Produktbeschreibungen, ausgefeiltere Dokumentationssysteme und die genauere Definition von Abläufen soll die relative Offenheit der sozialarbeiterischen Beratungs- und Betreuungsprozesse besser einer „verkaufbaren“ Darstellung, aber auch einer Steuerung durch Entscheidungen des Managements zugänglich gemacht werden. Definierte und überprüfbare Betreuungsziele, frühzeitige begründete Festlegungen auf einen gewünschten Verlauf des Prozesses und damit auch auf den zu erwartenden Mitteleinsatz sollen die überprüfbare Effizienz des Prozesses erhöhen. Damit wird der Orientierung der Methodik auf ergebnisoffene und wenig vorhersagbare Prozesse der Kampf angesagt.
Ergänzend und alternativ dazu ist es ein aus nicht-professionellen Zusammenhängen importiertes Qualitätsverständnis, das ebenfalls auf beschreibbare immergleiche Prozesse und vorweg definierte überprüfbare Zielsetzungen abhebt, das es der Sozialarbeit immer schwerer macht, so weiter zu machen wie bisher.
Es gibt ein weiteres neues Schlagwort, das in die gleiche Kerbe schlägt: „Evidence Based Practice“. Etwas verkürzt dargestellt funktioniert das so: Am Beginn eines Unterstützungsprozesses wird auf Basis eines Assessments eine Diagnose erstellt. Die Entscheidung über Interventionen ist dann weitgehend durch Ergebnisse einer quantitativen Wirkungsforschung vorgegeben. Bei Personen mit der Diagnose X konnte in 70 % der Fälle mit der Intervention Y ein Erfolg erzielt werden, mit der Intervention Z in nur 45 % der untersuchten Fälle. Also ist bei Diagnose X im vorliegenden Fall die Intervention Y anzuwenden.
Was der sogenannte Managerialismus will, ist eine überprüfbare, objektivierte routinisierte Soziale Arbeit, planbar und messbar.
Nichts gegen Planung, wenn sie der Eigenart der zu planenden Prozesse angemessen ist. Nichts gegen Messbarkeit, wenn Messbares gemessen wird. Alles gegen Versuche, die hochintelligente Interventionstechnologie der Sozialen Arbeit so auf die mechanische Anwendung von routinisierten Programmen zurückzustutzen. Hier wird versucht, High Tech durch Low Tech zu ersetzen.
Soweit ich Ihre Situation verstanden habe, ist man in Ihrem Feld mit der Steuerung noch nicht ganz so weit, aber das kann ja noch kommen.
Gute Gründe
Doch nun zu den guten Gründen, die für Rezeption und den Einsatz fachlich-sozialarbeiterischer Diagnostik sprechen.
Der erste gute Grund: Wir brauchen beschreibbare und nachvollziehbare Verfahren, um zu fachlichen Einschätzungen zu kommen. Auch wenn unser „Gspür“ grade nicht so funktioniert, wie wir es gerne hätten, soll sich unsere Einschätzung einer Fallsituation doch deutlich von der eines Laien unterscheiden. Wir brauchen eine eigene und fachliche Situationseinschätzung, damit wir in den Dialog mit den Betroffenen und mit anderen UnterstützerInnen eintreten können.
Der zweite gute Grund: Wenn keine eigene sozialarbeiterische Diagnostik entwickelt und angewendet wird, die sich mit den aus unserer fachlichen Sicht relevanten Aspekten eines Falles systematisch beschäftigt, sind wir den medizinischen, psychologischen und psychotherapeutischen Sichtweisen und Diagnosen ausgeliefert, können ihnen nichts hinzufügen.
Lese ich deutsche Publikationen, so fällt mir auf, dass der juristische Bezug überdeutlich ist und auf eine seltsame Weise als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Jene Definitionen, die in einem Gesetz stehen, scheinen unverändert und weitgehend unhinterfragt als Kategorien für Expertisen übernommen zu werden und bilden das kategoriale Grundinventar für eine dem Anspruch nach fachliche Einschätzungspraxis. Diese Einschätzungspraxis verwendet also juristisch formulierte Kategorien wie fachliche, disziplinär geformte Kategorien. Damit reduziert sie die Fachkräfte tendenziell zu Hilfskräften, gibt fachliches Denken frühzeitig auf.
Um das eigene fachliche Potenzial zur Geltung zu bringen, um Fachentscheidungen als Fachentscheidungen treffen und begründen zu können, benötigen wir kategorial auf dem disziplinären Diskurs fußende Diagnostik. Im Sozialwesen sind das fachliche Entscheidungen der Sozialen Arbeit.
Der dritte gute Grund: Die KlientInnen verdienen, dass wir wissen, was wir tun und warum wir es tun.
Der vierte gute Grund: Die Managementebenen und die Ministerialbürokratien wollen, wie oben beschrieben, Sozialarbeit steuerbarer machen. Sie verwenden dazu unter anderem Dokumentationssysteme, die eine entfernte Ähnlichkeit mit diagnostischen Verfahren haben, aber nicht gegenstandsangemessen sind. Gegen diese Zumutung, gegen die Entprofessionalisierung, benötigen wir eine fachlich begründbare Diagnostik, die dem Gegenstand angemessen ist und Professionalität, damit auch die relative Unabhängigkeit von den Zumutungen des Managerialism stärkt.
Gute Gründe genug, denke ich, sich anzusehen, ob es eine Diagnostik geben kann, die sozialarbeiterisch, also gegenstandsangemessen ist in ihrer Herangehensweise und in dem, was sie diagnostiziert. Eine Diagnostik, die uns im Fall klüger macht und sicherer in unseren Interventionsentscheidungen.
Anforderungen an diagnostische Verfahren
Ausgehend von diesen guten Gründen können wir nun einige Anforderungen an diagnostische Verfahren in der Sozialarbeit formulieren:
1) Soziale Diagnostik muss zur Logik, zum Blickwinkel sozialer Unterstützungsprozesse passen und sich an Fragen der sozialen Inklusion orientieren
Der Blickwinkel der Sozialen Arbeit ist jener auf die „Person in der Situation“ oder auf „Person in Umwelt“. Soziale Arbeit interessieren die Probleme der Lebensführung der KlientInnen, oder, in anderen Worten, die Probleme der Alltagsgestaltung. Diagnostische Verfahren müssen daher dieses Verhältnis von Person und Umwelt erfassen.
Die praktische Logik der Sozialen Arbeit ist eine Logik der Individualisierung, des Eingehens auf die Subjektivität und auf den sozialen Ort der Personen in der jeweils gegebenen Gesellschaft. Es ist eine Logik des gezielten Beziehungsaufbaus, des Dialogs und der Aufmerksamkeit für die Eigendiagnose der KlientInnen und deren Important Others. Die Logik der Sozialen Arbeit ist eine, die jeden Kontakt bereits als Intervention versteht. Eine säuberliche Trennung zwischen Diagnose und Therapie ist daher nicht möglich. Anamnese und Diagnose sind bereits Intervention, und die Intervention hat diagnostische Anteile.
2) Soziale Diagnostik darf die Selbststeuerung der KlientInnen und ihres sozialen Umfelds nicht behindern, sondern soll sie günstigenfalls vorantreiben
Sozialarbeiterische Unterstützungsprozesse sind in dem Maße erfolgreich, als es gelingt, dass die Betroffenen ihre Möglichkeiten der Selbststeuerung besser wahrnehmen können. Jedes diagnostische Verfahren, das KlientInnen nur auf einen Objektstatus reduziert, das sie nur als „zu Behandelnde“ fasst, ist daher fehl am Platz, ungeeignet, kontraproduktiv.
3) Diagnostische Verfahren sollen helfen, Interventionen (und Nicht-Interventionen) fachlich zu begründen
Ich meine diesen Satz ganz wörtlich:
Diagnostische Verfahren sollen helfen, also nicht die Interventionsplanung vollständig determinieren. Der Dialog, der Prozess und andere Informationen, die in den angewendeten Verfahren nicht erfasst wurden, können den Interventionsplan ebenfalls beeinflussen.
Interventionen, das sind in der Sozialen Arbeit nicht nur sogenannte „Maßnahmen“, sondern das sind auch Thematisierungsstrategien in der Beratung gegenüber den KlientInnen und den relevanten Personen in deren sozialem Umfeld. Was soll zum Thema gemacht werden, wo agieren wir konfrontativ, wo können wir (vorläufig) auf Konfrontation und auf Aktion verzichten.
Fachlich, das heißt erkennbar in Übereinstimmung mit Blickwinkel und Wissensstand der Profession. Das heißt: anders als „aus dem Bauch heraus“ oder in einer Alltagslogik. Fachlich, das heißt, dass die Begründung als fachliche Begründung erkennbar ist, auch im Dialog mit anderen Professionen.
4) Soziale Diagnostik muss die Komplexität des Falles erschließen und doch so strukturieren, dass Entscheidungen möglich werden
Sozialarbeitsfälle allgemein und jene Ihrer Betreuungsfälle, die professionelle Intervention erfordern, sind, soweit ich Ihren Publikationen entnehmen kann, tendenziell hochkomplex, und sie sind dynamisch. Für eine fachliche Interventionsentscheidung müssen wir uns diese Komplexität des Falles aneignen, sie aber auch strukturieren, sodass sie geordnet und aufbereitet wird für eine kluge Einschätzung und für eine Fokussierung der Interventionen auf das Wichtige, Mögliche und Aussichtsreiche.
5) Soziale Diagnostik muss den Dialog unterstützen
Und jetzt kommen wir zu einer der wichtigsten Anforderungen an diagnostische Verfahren in der Sozialen Arbeit: Sozialarbeit ist ein kooperativer Prozess, an dem der Klient und die wichtigen Personen im Umfeld in irgendeiner Form mitarbeiten müssen, soll etwas herauskommen. Die Eigendiagnose der Fallbeteiligten spielt daher eine hervorragende Rolle im Prozess. Diagnostische Verfahren, die diesen Dialog behindern oder zu stark formalisieren sind daher schädlich.
Beispiele für diagnostische Verfahren: Netzwerkkarte, Inklusionschart und Black-Box-Diagnostik
Ich will Ihnen nun beispielhaft drei diagnostische Verfahren kurz vorstellen, die meines Erachtens die vorhin genannten Anforderungen sehr gut erfüllen und die für die Soziale Arbeit, wie wir inzwischen auch aus ihrer selektiven Anwendung in den verschiedensten Feldern wissen, außerordentlich brauchbar sind. Ich konzentriere mich dabei auf Verfahren, die meiner Einschätzung nach auch in dem Feld, für das Sie verantwortlich zeichnen, nützlich sein können.
1) Netzwerkkarte
Die Netzwerkkarte kann, wenn die Konstruktion des Falles das nicht verhindet, als Instrument der kooperativen Diagnostik eingesetzt werden. Kooperative Diagnostik heißt, dass sowohl die Zusammenstellung der Daten als auch deren Interpretation in Kooperation von KlientIn und BeraterIn erfolgt oder zumindest erfolgen kann. Kooperative Diagnostik ist beides gleichzeitig: Ein Mittel, damit die Fachkräfte ein genaueres Bild über die Situation der KlientInnen erhalten; und ein Mittel, damit die KlientInnen ihre eigene Situation strukturiert einschätzen und aus dieser Einschätzung Schlussfolgerungen ziehen können. Kooperative Diagnostik ist damit immer auch Arbeit an der Eigendiagnose der KlientInnen.
Bei der Netzwerkkarte wird das unterstützende Soziale Umfeld der KlientInnen grafisch als Netz dargestellt, in dessen Zentrum als sogenannte Ankerperson der Klient steht. Ich empfehle eine fixe Sektoreneinteilung.
Man nimmt ein Blatt Papier, teilt es in 4 Sektoren, und macht einen kleinen Knödel in der Mitte.
Dieser Knödel steht für die Person, mit der man das Interview führt. Der Sektor rechts oben steht für familiäre Beziehungen. In den Sektor links oben werden die freundschaftlichen und nachbarschaftlichen Beziehungen eingetragen. Links unten ist Platz für kollegiale Beziehungen.
Und rechts unten findet man die Beziehungen zu professionellen Helferinnen und Helfern.
Die Person wird nun aufgefordert, jene Personen einzuzeichnen, mit denen sie Kontakt hat, mit denen sie in Austauschbeziehungen steht. Die meisten fangen rechts oben an. Der Partner, die eigenen Kinder, Eltern, Geschwister, Großeltern, Onkel, Tanten und so weiter.
Dann kommen die Freundinnen und Bekannten dran, Nachbarinnen und Nachbarn. An dieser Stelle muss man meist noch nachfragen: Die meisten Menschen haben Personen, die ihnen nicht so nahe stehen, mit denen sie aber trotzdem über ihre Alltagsprobleme reden, manchmal auch dann, wenn es Krisen gibt. Solche Personen in seinem Umfeld zu haben, ist für die eigene Stabilität sehr wichtig. Sie können unaufgeregt Rückmeldung geben.
In unserem Beispiel sind das eine Friseurin, eine Verkäuferin, und eine alte Schulfreundin, die man nur mehr sehr selten trifft.
Spätestens jetzt sagt man der Person, die man interviewt, dass auch die Beziehungen der genannten Leute untereinander interessant sind. Die werden dann auch eingezeichnet.
Jetzt kommen noch einige Kollegen hinzu
…und rechts unten, bei den Profis, findet sich meist ein Hausarzt, oft auch ein Facharzt. Unsere Beispielsperson sucht auch noch eine Beraterin auf. Lassen wir einmal offen, ob das eine Astrologin oder eine Stilberaterin ist.
Jetzt hätten wir ein nettes kleines soziales Netzwerk. Sozial gut eingebundene Menschen, also solche wie Sie zum Beispiel, die haben ein recht umfangreiches persönliches Netzwerk. Meine StudentInnen müssen im Zuge ihres Studiums ein Netzwerkinterview machen. Manche hören nicht auf meine Warnungen und suchen sich Interviewpartner mit einem umfangreichen sozialen Netz. ich zeige Ihnen noch eher harmlose Exemplare:
Hier das Netz eines 24-jährigen Studenten. Wie Sie sehen, ist die linke Seite gut bestückt. 21 Freunde/Bekannte, die es auf die Karte geschafft haben.
Und hier ist das Netz einer 32-jährigen alleinstehenden Frau, hochqualifiziert und mit einem interessanten Job.
Im Sektor links oben finden sich 25 Personen, links unten 12 gute Kolleginnen und Kollegen. Die Suche wurde frühzeitig abgebrochen. Wenn man genauer nachfragt, kann so ein personenbezogenes Netz 70 oder 100 Personen umfassen.
So ein Netz zu haben, das ist Gold wert. Im Bekanntenkreis kann man für die meisten Alltags- und Lebensprobleme Rat finden. Zumindest kennt eine Bekannte jemanden, der einen kennt, der mir bei der Sache helfen kann.
Der französische Sozialwissenschafter Pierre Bourdieu nannte dieses Vermögen, das in den sozialen Beziehungen steckt, Soziales Kapital. Man kann damit so ähnlich agieren, wie mit Kapital im ökonomischen Wortsinn. Es öffnet mir Wege, und wenn ich viel habe, dann kann ich es leicht vermehren. Hab ich keins, dann ist es nur sehr schwer zu vergrößern. Und: soziales Kapital kann an die nächste Generation weitergegeben werden. Es besteht in den vorhandenen Beziehungen, die wir in den Netzwerkgrafiken darstellen, die Sie soeben gesehen haben. Soziales Kapital besteht aber auch in der Fähigkeit, solche Beziehungen aufzubauen und zu halten.
Ich habe Ihnen bisher die Netzwerke von gut eingebundenen Menschen gezeigt. Nehmen wir jetzt einen 25-jährigen Mann, bei dem sich ein ganz anderes Bild ergibt.
Der junge Mann ist behindert, und abgesehen von den Resten seiner Familie gibt es in seinem Leben nur mehr Profis und Mitklienten, also andere Behinderte, die ebenfalls in der Werkstatt arbeiten. Wir kennen das als einen unerfreulichen Nebeneffekt, als fatale Nebenwirkung dessen, wie unser Sozial- und Gesundheitswesen funktioniert: je mehr Personen mit Hilfseinrichtungen zu tun haben, umso dünner wird ihr natürliches soziales Netz.
Ich zeige Ihnen das noch an einem zweiten Beispiel. Hier: eine junge Frau, gerade mal 20 Jahre alt. Man sollte erwarten, dass es viele Freunde und Freundinnen gibt.
Das Pech von Karin S. lässt sich benennen. Sie hat seit gar nicht so langer Zeit mit einer psychischen Erkrankung zu kämpfen, und bei ihr zeigt sich bereits dieser Effekt: die linke Hälfte ihres sozialen Netzes, die freundschaftlichen und kollegialen Beziehungen verschwinden.
Wir sollten ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir uns solche Grafiken anschauen. Solche Situationen werden von uns produziert, von unseren sozialen Einrichtungen, und von denen, die froh sind, wenn unangenehme Menschen ohnehin von den Spezialisten versorgt werden. Wie sie an diesem Netz von Karin sehen, verständigen sich die Spezialisten dann auch noch besonders gern mit den allernächsten Angehörigen der Klientin. Auch das ist kein besonders kluger Schachzug: die allernächsten Angehörigen, oft nur eine oder zwei Personen, werden besonders mit Verantwortung belastet, und das Netz wird noch enger.
So funktionieren spezialisierte und bürokratische Organisationen: Sie kümmern sich um den Fall, und damit meinen sie in aller Regel die Person, deren Name auf dem Aktendeckel steht. Und das erste, das spezialisierten Organisationen als „Lösung“ einfällt, ist immer wieder eine andere spezialisierte Organisation. So vermehren sich die professionellen Helfer in einem Fall sehr rasch. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass das auch noch eine teure Lösung ist – eine scheinbare Lösung. Wessen natürliches soziales Netz ausgedünnt ist, der bleibt auf Dauer abhängig von professioneller Hilfe. Verlorenes soziales Kapital ist nur schwer wieder aufzubauen.
Sie sehen auf dieser Folie zusammengefasst, was passiert, wenn man nicht bewusst gegensteuert. Was automatisch passiert, sich von selbst einstellt. Verlässt man sich auf die spezialisierten Dienste, so verringert sich die Einbindung der hilfebedürftigen Personen in natürliche soziale Netze. Ihr individuelles soziales Kapital wird aufgebraucht, geht verloren. Es wieder aufzubauen, kann möglich sein, aber das ist eindeutig schwieriger, als es die Zerstörung war. Und zu allem Unglück hat man nicht einmal Geld gespart, ganz im Gegenteil.
Die Netzwerkkarte hat als theoretischen Hintergrund die Theorie von den sozialen Netzen. Unter den verschiedenen Verfahren der Netzwerkdiagnostik wähle ich die Netzwerkkarte als Instrument aus, weil sie relativ genau ist und gut in einen Beratungsprozess eingebaut werden kann. Außerdem ermöglicht sie durch die Konstruktion von Daten in einem Bild das Erkennen von Zusammenhängen und Änderungsmöglichkeiten, die anders nicht so leicht zugänglich wären. Nach meinen Erfahrungen gelingt Fachkräften nach kurzer Einübungszeit auch bald die Anwendung in der Praxis und die Ergebnisse sind bei einem relativ hohen Anteil von Fällen relevant, d.h. sie eröffnen neue Perspektiven für die Fallbearbeitung.
Wie auch bei anderen diagnostischen Verfahren handelt es sich hier nicht nur um ein Notationssystem, also das Festhalten von Informationen, sondern der diagnostische Prozess ist zweistufig: Zuerst wird die Netzwerkkarte erstellt, in sie fließen Informationen ein, die z.T. bereits vorliegen, z.T. im Gespräch erhoben wurden. Mit der Erstellung der Grafik kann der Prozess in die zweite Phase treten. Das Bild selbst wird Gegenstand der Interpretation, wobei man sich bei dieser Interpretation im Arsenal der Netzwerkwissenschaft bedienen kann.
Um diesen zweiten Schritt bewältigen zu können, ist aber eine Einschulung in die Technik der Netzwerkdiagnostik erforderlich. Werden Netzwerkkarten (oder andere Instrumentarien, wie das später vorgestellte Inklusions-Chart) für die Begutachtung verwendet, ist eine schriftliche Zusammenfassung und Interpretation erforderlich.
2) Inklusionschart
Entgegen der schon einigermaßen erprobten Netzwerkkarte ist das Inklusionschart ein Instrument, das ich selbst im Anschluss an die z.B. von Heiko Kleve vertretene Sichtweise von Sozialarbeit als Profession des Inklusions-Managements entwickelt habe bzw. dzt. weiterentwickle. Es werden Niveau und Tendenzen der Inklusion der KlientInnen in relevante gesellschaftliche Funktionssysteme auf einer einfachen 5-stufigen Skala erfasst, daneben wird die derzeitige Tendenz festgehalten und schließlich in einer Textspalte der Stand kurz erläutert.
Inklusion, das erfasst den tatsächlichen Stand der Zugänglichkeit von lebensführungsrelevanten Funktionssystemen, vorerst unabhängig davon, ob die Gründe dafür in der Person der KlientInnen oder in ihrer Umwelt liegen. Es ist sozialarbeiterisch, weil es nicht Personen diagnostiziert, ihnen keine „Eigenschaften“ zuschreibt, sondern weil es eine Person-Umwelt-Relation in den Blick nimmt. Die Frage, wo denn nun das „Defizit“ liege, beim System oder beim Klienten / der Klientin, die bleibt aus einem guten Grund unentschieden.
Betrachtet man dieses Beispiel, so sehen wir z.B. eine weitgehende Exklusion der Klientin aus dem Gesundheitswesen. Dessen Leistungen sind ihr derzeit kaum zugänglich. Das liegt daran, dass sie unter den Bedingungen ihrer Adipositas bereits eine Serie von schlechten Erfahrungen mit Repräsentantinnen und Repräsentanten des Gesundheitswesens gemacht und sie sich deshalb eine Strategie der Vermeidung solcher Kontakte zurechtgelegt hat. Man könnte nun moralisierend den de-facto-Ausschluss der Klientin von den Leistungen des Gesundheitswesens als Folge ihrer Coping-Strategien betrachten und ihr zurechnen. Man könnte aber auch sagen, dass die Konstruktion des Gesundheitswesens für PatientInnen wie die Frau Czech nicht geeignet ist, dass das Gesundheitswesen bestimmte Personen systematisch abstößt. Schließlich kommen die persönlichen Vermeidungsstrategien nicht aus dem Nirgendwo, sondern entspringen persönlichen Erfahrungen. Und das Gesundheitswesen hat noch keine Verfahren entwickelt, um solche Personen zu erreichen, tut sich leicht mit der Fremdattribuierung von Schuld.
Für die Arbeit mit der Klientin bleibt die beste Wahl, die Schuldfrage offenzulassen, die Nichtpassung zu konstatieren und eine Doppelstrategie zu fahren: Einerseits wird man medizinische Einrichtungen suchen, die sich gegenüber Klientinnen wie dieser inklusiv verhalten, man wird also Anschlussmöglichkeiten zu finden versuchen. Andererseits wird man mit der Klientin an ihrer Bereitschaft arbeiten, Hilfe anzunehmen, wo sie Hilfe braucht. Genau diese Doppelstrategie ist charakteristisch für gelingende Soziale Arbeit, und genau eine solche Doppelstrategie wird durch dieses Instrument begünstigt, nahegelegt und diagnostisch begründet.
In einem Diskussionbeitrag bei einer Tagung in Bielefeld hat ein deutscher Kollege gemeint, für ihn sei Diagnose nichts anderes als üble Nachrede. Ich sehe keine üble Nachrede darin, wenn wir feststellen, dass Frau Czech aktuell keinen Zugang zum Gesundheitssystem hat.
Die Stärke des Instruments liegt sicher darin, dass es einen raschen Überblick über die Inklusion der KlientInnen liefert und Gefahrenmomente sichtbar macht. Es ist nach kurzer Einarbeitung durch Personen mit einem professionellen Hintergrund leicht handhabbar. Im Gegensatz zur Netzwerkkarte ist die Inklusions-Chart nicht für kooperative Diagnostik geeignet. Sie erleichtert den BeraterInnen die Findung und Begründung einer Betreuungsstrategie.
3) Black Box Diagnostik
Schließlich will ich Ihnen noch einen Typus sozialarbeiterischer Diagnostik vorstellen, der sich besonders gut in den Prozess einfügt und der Instrumente wie die vorgenannten zwar nicht ersetzen, aber hervorragend ergänzen kann. Als Black-Box-Diagnostik bezeichne ich Verfahren, die die Eigendiagnose der KlientInnen unterstützen und strukturieren. Wir als BeraterInnen überlassen den diagnostischen Prozess den Betroffenen selbst, wir erfahren günstigenfalls die Schlussfolgerungen, die die KlientInnen daraus ziehen, und arbeiten dann mit diesen Entscheidungen. Die Rolle der SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen ist am ehesten mit der von ModeratorInnen zu vergleichen. Ihr Wissenszuwachs über den Fall bleibt minimal, und trotzdem geht was weiter. Faszinierend, oder? Black Box Diagnostik macht jenen Angst, die glauben, man müsse alles wissen, um gut arbeiten zu können.
Ich stelle hier nur ein ganz einfaches und gängiges Verfahren vor, damit Sie ein Bild davon haben, was ich meine. Aber es gibt auch wesentlich aufwändigere und potentere Verfahren.
Zum Einfachen: Problemrankings und Skalierungen sind solche Mittel. Beim Problemranking wird der Klient darum ersucht, bis zur nächsten Sitzung eine „Hitparade“ der Probleme aufzustellen, die er bearbeitet haben möchte. Er soll diese gerangreihte Liste dann zur nächsten Sitzung mitbringen, und auf ihrer Basis werde man besprechen, wie es weitergehen könne.
Dieses Instrument ist bei allen einsetzbar, die nicht mit einem klar begrenzten Anliegen zu einer Beratung kommen. Ich nehme einmal an, dass das für fast alle KlientInnen gilt, für die sie die Verantwortung haben.
Der Auftrag wird von den Klienten i.d.R. akzeptiert und von den meisten ernsthaft und gewissenhaft ausgeführt. Und zwar keineswegs nur von KlientInnen, denen man intellektuell ein ansprechendes Niveau unterstellen würde. Auch Personen mit intellektueller Behinderung nutzen es, wenn man nur Zeit gewährt und den Stress reduziert. Das wird durch das retardierende Element der „Hausaufgabe“ gewährleistet.
Für Skalierungen wird die Klientin ersucht, den derzeitigen Status bei einem relevanten Problem auf einer Skala von 1 bis 10 einzuschätzen.
Wenn ich einen Klienten ersuche, sein Verhältnis zu seinen Eltern auf einer Skala zwischen 1 und 10 zu verorten, wobei 1 katastrophal und 10 prächtig sein soll, so wird er die Kontaktfrequenz, die Häufigkeit und Intensität von Streits, das Ausmaß an erfahrener Liebe, an Unterstützung, seine Gefühle beim Gedanken an seine Eltern überlegen, wird mit früheren Phasen dieser Beziehung vergleichen und mit anderen ihm bekannten Eltern-Kind-Beziehungen, mit seinen Vorstellungen von einer guten Eltern-Kind-Beziehung und seinen Wünschen an seine Eltern. All das wird er einfließen lassen in seine Entscheidung. Sagen wird er: 5. In diese Entscheidung gingen all die ambivalenten Gefühle ein, die wir normalerweise unseren Eltern gegenüber haben. Im Beratungsprozess kann so eine Verdichtung sinnvoll sein, wir kennen die Skalierung als ein Mittel, um die Gedanken zu strukturieren und zu fokussieren. Wir könnten zum Beispiel dann den Klienten auffordern, sich zu überlegen, wie er auf einen Wert von 7 kommen könnte. Was müsste er dafür tun? Er wird auf die Überlegungen zurückgreifen, die er vorher angestellt hat. Er hat sie ja noch zur Hand, sie sind nicht verschwunden.
Betrachten wir allerdings diese Zahl 5 von außen, wissen wir nicht, welche Überlegungen und Informationen in sie eingeflossen sind, können wir die auch nicht wieder herausholen. Die 5 sagt fast nichts. All die Ambivalenzen sind verschwunden, die vorher im Kopf des Klienten waren. Vor allem aber ist festzuhalten, dass sich dieser Wert nicht mit den Werten vergleichen lässt, die von anderen Klientinnen und Klienten gewählt wurden. Er ist kein Maß. Er ist ein qualitatives Datum, ein Symbol für ein Bündel an Erfahrungen, Gefühlen und Wünschen, und dieses Symbol kann nur entziffern, wer es selbst niedergeschrieben hat.
Das meine ich mit Black-Box-Diagnostik.
Damit schließe ich vorerst meinen kleinen Rundgang durch brauchbare diagnostische Verfahren in der Sozialarbeit und komme zum Schluss.
Resumee
Ich habe Ihnen nun 3 diagnostische Verfahren vorgestellt. Die Black-Box-Diagnostik wird eine sein, die ihren Ort im Beratungsprozess selbst erhalten kann. Die Netzwerkkarte und das Inklusionschart dienen einer fachlichen Einschätzung der Situation, die bereits bei der Entscheidung über die Zuteilung von BetreuerInnen eine wichtige Rolle spielen könnten. Beide Instrumente können im Einzelfall nachvollziehbare Begründungen liefern, wann professionelle Betreuung indiziert ist und wann mit einer Laienbetreuung das Auslangen gefunden werden kann.
Für die professionelle Betreuung selbst können m.E. alle 3 Verfahren entscheidende Hinweise für die Bearbeitungsstrategie liefern.
Ich möchte allerdings davor warnen, die Verfahren Sozialer Diagnostik als bloße Formen der Aufzeichnung von Daten zu verstehen. Sie sind nur in der Hand von eingeschultem Personal von Nutzen. Die nützliche Interpretation einer Netzwerkkarte erfordert Übung und Kenntnisse über die Netzwerkforschung und Netzwerktheorie. Das Inklusionschart kann nur von Personen mit professionellen Kenntnissen über Exklusions- und Inklusionsmechanismen und mit beruflichem Grundwissen über die Gestaltung von Unterstützungsprozessen als steuerndes und Interventionsbegründendes Instrument eingesetzt werden. Black-Box-Diagnostik erfordert professionelle Beziehungsgestaltung als Hintergrund.
Als entscheidende Frage steht also m.E. der Stellenwert professionalisierter Unterstützung in ihrem Arbeits- und Verantwortungsfeld.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch eine spannende Tagung.