Zettelkasten

Autorität?

KlientInnen mögen manchmal „Autorität“, d.h. eine Feststellung durch SA, was richtig und was falsch ist. SA können so einen Knoten lösen, der sich in der post-postmodernen Gesellschaft immer wieder im Alltag ergibt: nämlich dass nicht klar ist, was denn nun richtig und was falsch sei. Die SA sorgen so für Komplexitätsreduktion und ermöglichen den KlientInnen, eine Haltung zu etwas einzunehmen. Diese Interventionsform (und ich empfehle, sie als solche zu sehen und nicht von vornherein als „unprofessionell“ oder als „Fehler“) widerspricht scheinbar diametral der gesprächstherapeutischen Strategie und Vorannahme, dass alle Lösungen ohnehin schon beim Klienten seien und man nur GeburtshelferIn spielen müsse. Man eröffnet den KlientInnen auch Wege der Autonomie, wenn man Normen verdeutlicht und ihnen so die Möglichkeit gibt, sich für ein Akzeptieren der Norm oder für die Ablehnung (mit allen Konsequenzen) zu entscheiden.

Michael Musalek, Leiter des Anton Proksch Instituts, einer großen Einrichtung für Suchtkranke in Ostösterreich, ist ein scharfsinniger Kritiker kategorialer Diagnsotik in der Psychiatrie. Seine Ablehnung realtiviert er aber, weil er die heilende (beruhigende, entlastende) Wirkung einer Diagnose auf viele PatientInnen kennt.

Ich sehe das auch so. Die Benennung der "Sache" (sei es jetzt eine Krankheit, ein Problem) hat manchmal eine magische Wirkung. Sie ermöglicht den KlientInnen, zwischen sich selbst und dieser "Sache" einen Trennstrich zu ziehen. Hier bin ich, dort ist meine Schizo, meine Sucht, meine Trennungskrise etc. Ein solcher Trennungsstrich kann außerdordentlich hilfreich sein: Mein ICH, mein "autonomes Zentrum" wird sichtbar, und was mich bedrückt und einengt, das hat einen Namen und ist etwas anderes als ich.